Warum Dich Dein Glaube zurückhält

18. Februar 2023

Ach, der Glaube! Es ist so ein Wort, bei dem wir alle Vieles damit verbinden. Es ist ein Begriff, der wie ein geflügeltes Wort benutzt wird. Der Glaube, zum Glauben kommen, den richtigen Glauben haben.
Glaube ist zunächst ein Zustand, bei dem ich Vertrauen in etwas oder zu jemandem habe. Ich vertraue Dir, wenn ich in Dein Auto einsteige. Ich vertraue Dir, dass Du mich sicher fahren wirst. Und daher glaube ich an Dich.
Aber natürlich geht es in diesem Beitrag um ein Verständnis von Glauben, das weiter und tiefer ist. Der Glaube an etwas, an Gott, an bestimmte Glaubensinhalte, an das ewige Leben, daran, dass Jesus gelebt, gestorben und wiederauferstanden ist. Und so kann man Glaube auch als den Akt der Annahme von Dingen verstehen, die wir nicht wirklich wissen können. Aber auch damit werden wir Glaube nicht wirklich bis auf den Grund verstanden haben. Glaube ist ein komplexer Akt.
Dabei kann Dein Glaube Dir und Deinem Leben und Werden gehörig im Wege stehen, er kann Dich daran hindern, weiter zu kommen. Ich sprach vor einigen Wochen mit einer Frau, die ein aufgeschlossener und offener Mensch ist. Und doch schlich sich immer wieder der Glaube in ihr Leben, dass sie nicht mehr zu den Christinnen zählen wird, wenn sie bestimmte Bücher oder Schriften, wie das Thomas-Evangelium liest. Und ich erlebe es auch immer wieder, dass Christen sich weigern, Yoga zu machen, weil es nicht originär christlich ist.


Wenn Glaube gerinnt

Oft ist Glaube ein richtiges Konzept. Es kann aus vielen Regeln und Vorschriften, aus Definitionen und Dokumenten bestehen. Ein festgefügtes System von Annahmen, von Muss und Du sollst.
Natürlich braucht es Regeln und es braucht auch ein Du musst und Du sollst, jedoch sollten diese im spirituellen Leben nur sehr sparsam eingesetzt werden.

Ein solcher Glaube, der vor allem durch seine Ge- und Verbote auffällt, blendet aber aus. Denn hier wird Glaube mit einer ganz bestimmten Sicht gleichgesetzt. So musst Du die Dinge sehen, nur so ist es richtig. Damit aber wirst Du andere Erfahrungen nicht mehr zulassen können, Du wirst Dir bestimmte Bereiche Deines Bewusstseins verbieten.
Wenn Du übrigens meinst, die Wissenschaft komme ohne Glauben aus, so irrst Du Dich. Die ganze und jegliche Wissenschaft lebt von Annahmen, von Setzungen und nur, wenn man diese Annahmen selber übernimmt, kommt man zu gleichen Urteilen und Ergebnissen. Auch die Wissenschaft blendet aus und hat nur ein bestimmtes Bild, was sie zulässt - die Wissenschaft ist nicht so objektiv, wie sie gerne tut.
Aber in der Spiritualität ist es nochmals anders. Hier ersetzt der Glaube sehr oft die eigene Erfahrung, ja, die eigene Erfahrung wird sogar abgewertet oder sehr, sehr kritisch betrachtet. Lieber glauben, was andere mir sagen, als mich auf den Weg machen, um selber etwas zu erfahren.
Und so verhindert Glaube, wenn er so verstanden wird und so festgefahren ist, nicht nur Deine eigene Erfahrung, sondern damit auch dein Wachstum. Denn es sind ja immer Erfahrungen, die uns weiterbringen.


Das Tor zur Manipulation

Glaube ist zudem eine sehr gute Möglichkeit, um Menschen zu manipulieren. Der Kern des Glaubens besteht aus Vertrauen, Vertrauen in die Quelle des Glaubens, in Menschen und Institutionen. Wenn mit diesem Vertrauen redlich umgegangen wird, ist alles in Ordnung. Aber es sind zugleich Tore und Türen dafür geöffnet, dieses Vertrauen auszunutzen, Abhängigkeiten zu schaffen und die Menschen unmündig zu halten. Das ist die Macht der Glaubenshüter, sie haben nur so lange Macht, wie ihnen geglaubt wird. Zu oft und zu schnell geben Menschen die Verantwortung für ihren eigenen Glauben ab.
Und das ist vielleicht eine der wichtigsten Botschaften in diesem Video für Dich: Du bist selber für Deinen Glauben verantwortlich. Nur Du kannst Dich entscheiden, was Du glaubst und was nicht. Gib diese Macht und diese Verantwortung nicht leichtfertig ab, sondern behalte sie bei Dir. Erlaube Dir auch, Deinen Glauben anzupassen und zu verändern. Wer mit 20 noch so glaubt, wie mit 50, der hat sich nicht entwickelt.
Und gleich hinzufügen möchte ich noch, dass auch die Vernunft beim Glauben eine Rolle spielt. Vernunft selber glaubt nicht, aber prüft, ob etwas logisch und konsistent ist. Und das ist richtig so.
Wenn Dir Menschen ein Heilsversprechen machen, wenn sie Dir aufzeigen, was alles im Himmel passiert, welche Räume es ganz genau gibt, wie die Engel alle aussehen und so weiter, dann darfst Du zu Recht skeptisch werden. Nicht, weil es das so nicht geben kann, sondern weil wir es nicht wissen können. Wir können es glauben, aber Spiritualität im Zeichen des Glaubens verzichtet auf kantige Festschreibungen und hält immer offen, dass es auch anders sein kann oder dass es sich nur um eine symbolische Aussage handelt.
“Prüfe alles und behalte das Gute", so steht es im Neuen Testament und genau das ist bei Deinem Glauben wichtig.


Glaube bewahrt

Glaube ist übrigens immer konservativ. Es behält gerne und verändert sich nicht sehr schnell. Und so sind Dogmen im Christentum auch etwas, das sich nicht verändern darf. Aber als rechtliches Konstrukt zu verstehen, als Gesetz, das in Stein gemeißelt ist, das bringt nicht weiter. Es braucht Bilder, die die Zeit überstehen und es ist verständlich, warum vor über 1000 Jahren viele der heutigen Dogmen so festgehalten wurden.
Die Bilder sind gut und hilfreich, aber aus der Auferstehung kann man kein Gesetz machen und auch die Geburt Jesu kann man nicht verordnen. Gerade, wenn sie nicht festgeschrieben und zu Ende definiert sind, entwickeln die Bilder, die hinter den Dogmen stehen, erst ihre Wirkung. Als Gesetz verlieren sie sie.

Übrigens, um das auch noch zu erwähnen: Nicht nur die Kirche hat ihre Dogmen. Auch Du hast welche, auch Du hast feste Annahmen von dieser Welt, von Dir, von dem, wie bestimmte Dinge laufen sollen. Und wenn Du irgendwo in Deinem Leben hängen bleibst, dann überprüfe mal Deine Dogmen. Auch da können etwas mehr Offenheit und Unklarheit hilfreich sein und zu neuen Handlungsmöglichkeiten führen.


Blinder Glaube

Glaube spielt natürlich auch bei Sekten eine zentrale Rolle. Oft führt es zu einem blinden Vertrauen in den Guru oder in die Meisterin. Jegliches kritische Verhalten muss losgelassen werden und wird abgelehnt. Man muss Glauben, egal was kommt - bis in den Tod hinein.
Ehrlich gesagt war es mir immer schon unverständlich, wie sich manche Menschen so sehr an einen Meister hängen können, wie sie ihn verehren und alles aufgeben, alles Geld geben und sich ganz in die Hand eines anderen geben.
Ein solcher Glaube ist zutiefst gefährlich. Niemand gehört einem anderen Menschen, Du gehörst nur Dir und Gott. Alle anderen sind höchstens Hilfspersonal.


Welcher Glaube Dich weiterbringt

Schauen wir jetzt einmal, wie denn Glaube hilfreich sein kann und woran man erkennt, ob Glaube konstruktiv und unterstützend ist. Und da habe ich einige hilfreiche Hinweise für Dich.

Wenn Glaube in die Weite führt, in eine größere Liebe, die immer weniger ausgrenzt - man erkennt das übrigens meistens an der Sprache, die verwendet wird - dann ist das ein Zeichen für einen hilfreichen Glauben.
Ein Glaube, der sich selbst nicht als absolut hinstellt, der offene Stellen hat, Stellen also, die unerklärlich bleiben, ein Glaube, der offen ist für Mehrdeutigkeit - im Gegensatz zum wortwörtlichen Verstehen der Bibel oder anderer heiliger Schriften, ein Glaube also, der diese Mehrdeutigkeit und damit auch Unklarheit erlaubt und zulässt, kann ein gesunder Glaube sein.

Wenn Du erkennst, dass ein Glaube die Vernunft nicht ausschließt, sondern nutzt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass der Glaube Dich fördern kann.
Ein Glaube, der keinen Gehorsam erwartet, besitzt eine wichtige Voraussetzung dafür, dass er Dir gut tut.
Ein Glaube sollte Dich fördern, er darf Dich auch herausfordern und das heißt, Deine Grenzen erweitern und verschieben, damit Du Neues erfährst und kennenlernst. Und er sollte Raum für Fragen haben, für Anfragen und für Zweifel.
Ich beglückwünsche Menschen immer, wenn sie an Gott oder an bestimmten Inhalten ihres Glaubens zweifeln, weil Zweifel immer ein Zeichen dafür ist, dass sich die Spiritualität und der Glaube des Menschen weiterentwickeln wollen. Es ist ein gutes Zeichen.


Von der Bequemlichkeit

Aber schließlich auch noch dies. Es sind nicht immer die Glaubenshüter und die Gurus, die die Menschen in Abhängigkeit halten. Es kommt so oft vor, dass Menschen für ihren Glauben gar keine Verantwortung tragen möchten, Menschen möchten abhängig sein, möchten die Sicherheit haben, es richtig zu machen, den richtigen Glauben zu haben. Und dafür verlassen sie sich gerne auf andere, schieben anderen den Schuh der Verantwortung zu.


"Ich bin"

Und noch etwas: Am Ende - wann immer das sein mag - am Ende wird die Erfahrung große Teile Deines Glaubens ersetzen. Aus dem Satzbeginn “Ich glaube” wie im Glaubensbekenntnis wird dann “Ich bin” oder “Ich habe erlebt” und damit ein Erfahrungsbekenntnis.
Im Himmel gibt es niemanden, der glaubt.
Doch dafür müssen wir an einer Stelle unseres Lebens bereit sein, den Glauben aufzugeben, über einen See zu laufen und hoffen, dass er trägt. Dann sind wir hineingenommen in ein neues Leben und Du beginnst ein neuer Mensch zu werden.
Möge es Dir gelingen.
Mögen sich die Erfahrungen in Deinem Leben ereignen, die Dich ganz zur Unmittelbarkeit Gottes führen.
Mögest Du lernen, über den See zu gehen, mit Blick in die große Weite und mit erhobenen Armen.


korrigiertes Transskript


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