Wie du lästige Gewohnheiten loswirst

12. August 2023

Ich glaube, an keinem Ort der Welt gibt es so viele Verhaltensmuster und Gewohnheiten wie im Kloster. Wer wem die Tür aufhält, wer wo sitzt, wer den Löffel in die Schüssel legt, wer Lektor ist, wann welche Türen zu öffnen und wann zu schließen sind. In unserem Kloster in Meschede wurden all diese Gewohnheiten in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts einmal aufgeschrieben. Es war ein dicker Aktenordner voller Regeln oder eben Gewohnheiten.

Wenn ich heute wieder in dem Kloster bin, dann habe ich natürlich manche Veränderungen nicht mehr mitbekommen. Und so fühlt sich das dann für mich fremd an. Aber so sind Gewohnheiten, sie schaffen Vertrautheit und schenken Heimat, weil Heimat dort ist, wo ich mich einigermaßen auskenne und von den Gewohnheiten weiß.


Sinn von Gewohnheiten

Gewohnheiten sind auf keinen Fall schlecht, und ein Leben ohne sie ist nicht vorstellbar. Selbst der spontanste Mensch wird Gewohnheiten haben. Denn diese Verhaltensmuster, wie man sie auch nennen kann, sie vereinfachen das Leben ungemein.

Im Kloster weiß man zum Beispiel immer, wer wen vertreten muss - das ist gerade in Gottesdiensten wichtig, wo jemand vielleicht spontan einspringen muss. Das passiert in der Regel innerhalb von wenigen Sekunden ohne Absprache - weil es dafür ein Muster gibt, das zur Anwendung kommt.

Und morgens mag ich nicht erst überlegen, ob ich erst meine Zähne putze und mich dann föhne oder umgekehrt. Auch dafür habe ich ein entlastendes Handlungsmuster.

Und du wirst eigene solcher Muster haben und entwickeln.

Gewohnheiten sind zudem sehr energiesparend und zwar für unser Gehirn. Es benötigt dafür wenig Bewusstsein. Bewusstsein kostet dem Gehirn sehr viel seiner Energie, weshalb es sehr gerne alles ins Unbewusste ablegt und regelt. Es spart Energie. Wir können nicht den ganzen Tag bewusst sein, das würde uns völlig überfordern. Wir brauchen Zeiten des Schlafs und des Dösens.

Und ein Letztes noch, was die Vorteile von Gewohnheiten angeht. Sie vereinfachen das Leben, insbesondere das Zusammenleben. Es entstehen Selbstverständlichkeiten, die einen reibungslosen Ablauf des alltäglichen Lebens ermöglichen.

Umso schwieriger wird es, wenn jemand daran rüttelt und Gewohnheiten, die seit Jahren gepflegt werden, infrage stellt. Das war zum Beispiel der Fall, als der erste Lockdown über uns hereinbrach. Viele unserer Gewohnheiten fielen weg, und wir mussten uns mühsam neue, der Situation angepasste Verhaltensmuster schaffen. Das ist tatsächlich eine Herausforderung und für Beziehungen ein heikles Thema.


Last der Gewohnheiten

Aber ich bräuchte natürlich nicht dieses Video zu drehen, wenn alles so wunderbar mit unseren Gewohnheiten ist, das reinste Paradies gewohnter Abläufe. Denn wir haben sehr oft Probleme mit unseren Gewohnheiten, vor allem dann, wenn wir sie verändern wollen. Gewohnheiten haben nämlich die Angewohnheit, sich einzuschleichen. Ob ich morgens zunächst meine Zähne putze oder mein Haar föhne, das hat keinen Grund, es hat sich irgendwann so ergeben und ist jetzt so. Und ich habe gerade an solchen kleinen und fast banalen Beispielen gemerkt, dass kleine Veränderungen durchaus etwas ausmachen.

Aber solche Veränderungen sind schwierig, da Gewohnheiten gegenüber Variationen resistent sind. Sie passen sich schlecht an. Und das liegt an unserem Gehirn. Gewohnheiten sind in unserem Gehirn wie eine Art Straße angelegt, es sind Verknüpfungen von Synapsen. Und je häufiger ich eine Tätigkeit durchführe, umso größer wird die Straße, und umso schwieriger wird es, einmal abzubiegen auf einen anderen Weg oder gar einen neuen Weg durch die Wildnis meines Gehirns zu finden. Ich bin nämlich schneller auf der gut ausgebauten Straße als ich denken kann, und das meine ich wörtlich. Gewohnheiten sind so schnell, dass ich oft erst merke, sie getan zu haben, wenn ich damit fertig bin.


Gewohnheiten verändern?

Und damit kommen wir zu dem wirklich großen Problem, wie wir Gewohnheiten verändern können. Und es geht wirklich nicht nur darum, wann ich meine Zähne putze. Vielleicht geht es dir darum, deine Wohnung ordentlich zu halten, weniger Torte zu essen, weniger Chipstüten zu leeren oder die Sache mit dem Alkohol zu regulieren.

Nebenbei bemerkt: Gewohnheiten sind natürlich keine Süchte, und ich rede hier auch nicht über Süchte.

Und das ganze Thema bekommt noch eine andere Seite, wenn wir Gewohnheiten noch anders betrachten. Denn Traditionen sind ja ebenfalls Gewohnheiten - Gewohnheiten von Gesellschaften und Gruppen. Alles, was ich bisher gesagt habe, das gilt auch für Traditionen.

Es gibt auch kein Leben ohne Tradition - man mag es nicht mehr so nennen, aber es bleibt dennoch wahr. Wenn eine Gesellschaft oder eine Gruppe an wichtigen Traditionen feilt, dann ist das wie eine Operation am offenen Herzen - es besteht immer die Gefahr, dass eine Labilisierung einsetzt und Bindungskraft verloren geht. Man ist oft gesellschaftlich schnell dabei, Traditionen abzuschaffen - was bringen die schon, was soll das. Aber das ist eine zu pragmatische Sichtweise, denn die Wirkung ist viel subtiler, als es der Pragmatismus wahrnehmen kann. Und ist die Tradition weg, dann gibt es oft kein Zurück mehr.

Aber es gilt auch, dass Gewohnheiten, Traditionen ihren Sinn verloren haben oder sich anpassen müssen.


Was die meisten tun

Üblicherweise geht man dann so vor: Zunächst entschließt man sich, es anders zu machen. Man will es wirklich ändern. Zu Beginn steht oft der Wille, und dann kommt der Plan. So soll es sein, ab jetzt machen wir es so. Jetzt haben wir es, die Gewohnheit ist angepasst. Oder man überlegt sich, dass man sich selber belohnt, wenn man eine schlechte Angewohnheit nicht vollzogen hat. Wenn man abends den Wein nicht geöffnet hat, dann gibt es am nächsten Tag ein Geschenk oder was auch immer.

Und vielleicht hat man sich sogar ein Buch zu dem Thema angeschafft. Und darin steht dann meistens, dass man SMART-Ziele finden sollte. Das ist ein Ziel, das man messen kann, das möglich zu erreichen und konkret ist. Und dann macht man sich daran, eine neue Gewohnheit, ich nenne es mal, Anti-Gewohnheit, einzubauen. Und die heißt: Keine Torte mehr essen, sondern leckeres Knäckebrot oder was auch immer.

Das Problem an all diesen Strategien ist, dass es sich hier um Formen der Selbstkontrolle handelt. Und egal wie man es dreht, es geht immer darum, Druck auf sich selbst auszubauen, damit man es endlich lässt. Und wer eine lästige Angewohnheit schon mal versucht hat loszuwerden, weiß, wie schwierig es sein kann, allein durch inneren Druck etwas zu lassen.


Die zwei Seiten

Warum das so ist? Nun, das hat mit unserem Inneren zu tun. Wenn wir Gewohnheiten haben und diese verändern möchten, dann haben wir es immer mit mindestens zwei inneren Seiten oder Anteilen zu tun. Nehmen wir einmal an, du möchtest es endlich schaffen, nicht mehr in die Gummibärchentüte zu greifen. Dann gibt es eine Seite in dir, die sagt: Lass das, das ist ungesund, weißt du eigentlich wie viel du wiegst? Hast du die Blicke letztes Mal im Fitnessstudio gesehen? Und dann gibt es die andere Seite, und die sagt: Ach, komm, heute war wieder so ein miserabler Tag, immer dieser Stress und heute Abend hast du auch wieder nichts vor, schlechter Tag, ach so ein Bärchen, dann geht es mir immer besser.

Und weißt du, wer gewinnt? Ja, ganz genau. Das Bärchen ist schneller in deinem Mund, als du denken kannst. Und der Grund liegt darin, dass diese andere Seite, die mich in die Tüte greifen lässt, nicht wertschätzend behandelt wird. Wir wollen sie einfach wegmachen, unterdrücken, wir wollen ihr zeigen, wer Herr im Haus ist. Aber dann wird sie wie ein Teenager, der sich zu Hause endlich jeden Abend an den Abendtisch setzen muss, aber nicht will. Diese Seite wird bockig.


Sei verständnisvoll!

Wir können ohne Druck und damit ohne Gewalt Gewohnheiten nur ändern, wenn wir beginnen zu verstehen, was diese andere Seite eigentlich will, wenn wir ihre Bedürfnisse beginnen zu verstehen und wertzuschätzen. Das ist der Schlüssel zur Veränderung. Und dafür muss ich in Kontakt gehen, muss mit dieser inneren Seite sprechen. Das kannst du ganz konkret tun. Frage sie einmal, was ihr wichtig ist, was sie braucht und warum sie das tut. Du wirst eine Antwort bekommen. Nur so wirst du einen Weg finden, der zu einem Kompromiss wird zwischen dem Bedürfnis der Regulation und dem Bedürfnis nach dem Gummibärchen - aber wir wissen ja alle, dass es nicht um das Fruchtgummi geht.


Sprich mit einer Freundin

Wenn du beginnen möchtest, eine Gewohnheit zu ändern, dann möchte ich dir ein paar Tipps mit auf den Weg geben: Wenn du weißt, wie dein neues Verhalten aussehen soll - es geht ja im Kern immer darum, etwas anders zu tun - dann sprich mit einer Freundin oder einem Freund darüber und bitte darum, er oder sie möge dich in ein paar Wochen ansprechen, wie es läuft. Das kann helfen, dranzubleiben. Aber es soll natürlich nicht nach Kontrolle riechen, sondern einfach Interesse an deinem Fortschritt sein.


Namen haben Kraft!

Gib deinem Projekt einen Namen. Es ist unglaublich, aber wenn etwas einen Namen trägt, dann verwandelt es sich. Hat dein Auto oder deine Blume einen Namen oder etwas, was kein Tier oder Mensch ist? Wenn dem so ist, dann weißt du, dass sich das Ding in dem Moment verändert hat, indem ich ihm den Namen gab.


Es wird nicht nur leicht sein

Und dann mache dir bewusst, dass es kein leichter Weg ist, sondern dass Rückschläge dazu gehören. Oder besser ausgedrückt, es gibt immer wieder Etappen, die du gehen wirst und wo du das bisherige Verhalten wieder zeigst. Das sind wichtige Augenblicke, die dir deutlich machen können, an welcher Stelle du an deinem Vorhaben noch arbeiten musst.


Feiere Deinen Erfolg

Wenn du dann irgendwann merkst, dass es klappt, dass du wirklich dein Verhalten ändern konntest, dann feiere es auch. Belohne dich und freue dich vielleicht zusammen mit der Freundin, die du eingeweiht hast. Das hilft für weitere Projekte.


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