Meine Geschichte
Es ist schon lange her, es war in irgendeinem Herbst. Ich stand mit einer guten Freundin und einem Mitbruder draußen und habe eine Zigarette geraucht, was ich damals noch mit viel Genuss getan habe. Wir unterhielten uns über den laufenden Kurs im Gästehaus und tauschten uns aus. Nachdem wir alle aufgeraucht hatten, gingen wir auseinander. Da kam die Freundin nochmals kurz zurück und sagte mir: David, wenn Du ein gutes Buch lesen möchtest, dann lies: Dienstags bei Morrie, das ist wirklich richtig gut. Mach das, bitte!”
Ich muss zugeben, dass mir viele Menschen Bücher empfehlen. Die meisten lese ich nicht, weil ich Bücher finden muss, sie müssen zu mir passen und dann kann ich nicht irgendeinen Vorschlag heranziehen.
Aber diesmal dachte ich: “Nun gut, wenn sie das schon vorschlägt, dann kaufe ich mir das Buch.” Und wie das immer so ist, bis es dann umgesetzt ist, dauert es etwas.
Doch schließlich hielt ich das Buch in der Hand und begann zu lesen.
Es handelt von einem ehemaligen Studenten und seinem Professor, der jetzt an ALS erkrankt ist. Diese Krankheit führt unweigerlich zum Erstickungstod.
Der ehemalige Student, der inzwischen, ich vermute mal so 40 Jahre alt ist, besucht den Professor regelmäßig und der gibt ihm seine letzten Lektionen mit auf den Weg, diesmal über das Leben. Und von diesen Lektionen handelt im Wesentlichen das Buch.
Ich begann zu lesen, es war interessant und auch anrührend. Zudem konnte man es ganz flüssig lesen, wie es Büchern amerikanischer Autoren meistens zu eigen ist.
Doch dann passierte etwas mit mir, etwas, was ich nicht erwartet hatte und was mich bis heute beeindruckt.
Ich kam zu einer Stelle, wo die Krankheit des Professors schon weiter fortgeschritten war und der Tod sichtbar näher rückte.
Da zog der kranke Professor seinen Studenten ganz nah an sich heran, sodass beide den Atem des jeweils anderen auf den eigenen Wangen spüren konnten. Und er sagte dem jüngeren Mann: “Mitch, das wichtigste ist die Liebe, es ist so wichtig, dass Du lernst Liebe zu geben und Liebe zu nehmen, das ist das Allerwichtigste.''
Meine Ekenntnis
Ich weiß nicht wirklich warum, wenn ich davon erzähle, klingt es so unerheblich, einfach ein netter Teil eines netten Buches. Doch für mich war es eine Wahrheit, die mehr Bedeutung hatte, als ein unterhaltsames Buch üblicherweise. Etwas durchbrach mein Inneres, etwas überschwemmte mich, traf mich und ich musste weinen. Tatsächlich musste ich weinen.
Aber dabei blieb es nicht. Ich stand auf und war wie in Trance, ja, wirklich, unglaublich war das. Ich war wie in einer Trance und eine Liebe hat mich durchflutet. Plötzlich schien alles so gut. Natürlich waren die Brüder zwar immer noch die gleichen, mit ihren Launen und Kanten, das spürte ich weiterhin. Aber es machte mir weniger aus, es konnte mir nichts mehr anhaben. Ich ging durch diese Tage hindurch, und alles war anders. Grundlos konnte ich Tränen in den Augen haben, ich konnte Menschen mit einem liebenden Blick anschauen, die ich gar nicht kannte.
Ich war verbunden mit etwas viel Größerem, mit einem unglaublichen Meer an Liebe. Und so ging es einige Tage noch und ich wusste gar nicht recht, ob ich träumte oder ob das Wirklichkeit war.
Natürlich blieb es nicht dabei. Ich habe einige Zeit darum getrauert, dass diese Liebe nicht mehr in dieser Intensität in meinem Leben war. Aber im Nachhinein ist es doch gut so, denn so hätte ich nicht lange leben können. Es wäre zu anstrengend gewesen und meine Brüder hätten vermutlich gedacht, ich wäre verrückt geworden oder wahnsinnig. Nein, nach einigen Tagen, vielleicht waren es zwei Wochen, klang diese Trance langsam ab. Ich bedauerte es, wie gesagt, und ließ es dann dabei. Es war halt doch nur ein Traum, es war halt doch nur etwas, was ich mir vorgemacht habe. Das dachte ich.
So vergaß ich diese kleine Episode meines Lebens.
Doch dann, unerwartet kam die Erinnerung wieder. Einige Jahre später konnte ich dann für mich feststellen: Du erzählst zwar immer, dass man die Erfahrung des Göttlichen ernst nehmen soll, dass man sie hüten und pflegen muss und nähren und gießen, aber Du selber machst es nicht.
Mir wurde klar, dass diese Erfahrung ein Beginn hätte werden können – hätte werden wollen. Nicht, dass ich ewig die rosarote Brille aufhabe, aber dass die Erinnerung an diese Zeit und diese Liebe mich stark macht auf dem Weg des Herzens.
Erinnerung will ja stark machen für die Bewährung auf dem Weg, ist wie ein Proviant, eine Wegzehrung
Aber es ist zum Glück nie zu spät, den Faden wieder aufzugreifen, sich wieder zu erinnern und gedanklich wieder dort anzusetzen, wo man aufgehört hat.
Und so erkannte ich das, was der Professor seinem älter gewordenen Studenten ins Ohr flüsterte und was dieser durch seine Krankheit als unbedingt wahr erkannt hatte: Es ist die Liebe, die allem einen Sinn gibt und die hinter allem steht.
Darauf kommt es im Leben an, auf die Liebe.
Die Liebe zu einem Menschen
Natürlich zeigt sich die Liebe in unserem Leben zunächst in der Liebe zu anderen und dann hoffentlich auch in der Liebe zu einem selbst. Wir können viel lieben: Tiere, Bäume, Bücher, Räume, Ideen, Zeiten, Tage, Jahreszeiten, Erfahrungen, Essen und Trinken.
Das ist wunderbar und schön und gut ist es, wenn Du gelernt hast zu lieben, wenn Du Liebe geben und empfangen kannst. Deshalb spielt natürlich die Liebe vor allem zu einem Menschen oder zu einem Tier eine besondere Rolle, denn keine Jahreszeit und kein Buch werden Dich zurückblicken.
Doch denke daran, das ist noch nicht die Vollendung der Liebe. Die zwischenmenschliche Liebe ist wichtig, doch sie erfüllt uns nicht in Gänze, sie ist nicht das Ziel, sondern eine Hilfe, eine Ausdrucksform. Denn die menschliche Liebe ist oft von Projektionen und fatalen Bildern über die Liebe verdeckt. Und das ist es, was so viele Beziehungen und Ehen in die Krise führt.
Die Liebe gehört uns nicht, sie ist nicht unser Besitz, es ist nie unsere Liebe allein, es ist immer eine Schattierung der großen Liebe, um die es geht. Und daher lieben wir nicht einfach, wir dienen der Liebe, die durch uns hindurchfließt, zum anderen Menschen.
Doch wie gesagt, das ist noch nicht die Erfüllung, das ist eine irdische menschliche Verwirklichung.
Wo wir die vollendete Liebe finden
Das, was uns wirklich erfüllt, ist die göttliche Liebe oder das liebende Sein, wie ich es auch gerne nenne. Ich stelle mir kein Wesen vor, das da oben sitzt und liebt und voller Macht ist und doch ist da Liebe und doch ist die letzte Realität von allem immer nur Liebe. Und diese Liebe ist nicht nur gerichtet, es geht nicht nur darum, dass eine Liebe zwischen zwei Wesen fließt. Diese Liebe ist einfach da, ist wie ein Kraftfeld, das alles durchwirkt und alles belebt und das bleibt, auch, wenn alles vergeht.
Wenn Du beginnst, mit dieser Liebe in Kontakt zu gehen, ich müsste eigentlich sagen, wenn Du beginnst, wieder bewusster Teil dieser Liebe zu werden, zu spüren, dass Du nichts anderes als das bist, dann beginnt ein radikaler Change, eine Veränderung Deines Lebens. Dann hast Du wieder die Anknüpfung gefunden, die unserem Leben die Kraft und Energie zuführt, die andere durch materielle Dinge versuchen zu bekommen.
Diese Liebe ist keine rosarote Liebe, keine Happyliebe, keine, mit der man immer fortlaufend lächelnd durch die Welt geht, wo Du jede Beleidigung und jede Gemeinheit auf Dich nimmst. Es ist eine stille Liebe, eine Liebe, die um den Preis weiß. Sie ist weit weniger Emotion, sie ist mehr stilles Sein in dieser Welt, stilles Warten auf Deine Bereitschaft.
Sie ist die Erfüllung und die Kraft, die uns führt, sie steht bereit, immer und überall und sie hilft, selbst das Schwerste zu ertragen.
Diese Liebe sucht uns, sie braucht uns in gewisser Weise, kein anderes Wesen auf Erden kann so stark diese Liebe erwidern, kann zu einem Spiegel dieser Liebe in dieser Welt werden. Dafür sind wir da.
Was der Körper mit der Liebe zu tun hat
Doch dafür müssen wir uns um diese Liebe bemühen, wir müssen sie in unseren Körper einlassen.
Ja, es ist nicht nur ein netter Gedanke, ein schönes Fantasiebild, es ist ein körperliches Geschehen. Unser Körper muss erst in die Lage versetzt werden, diese Liebe überhaupt spüren und tragen zu können. Die liebende Energie ist unendlich stark und unsere Körper sind nicht mehr darauf ausgelegt, haben es sozusagen verlernt, eine solche Energie aufzunehmen. Deshalb nutzen auch all die Appelle nichts und und all die schönen Geschichten, wenn wir diese Liebe nicht in den Körper bringen, in unsere Zellen und Moleküle.
Wir müssen diese Liebe aktiv suchen und in uns hineinlassen. Einfach warten gilt nicht. Es braucht ein Einüben in das liebende Sein, ein sich ständig Öffnen und Bereitstellen.
Und doch kann sie, wie bei mir, plötzlich in unser Leben treten und alles umkrempeln.
Oder mache ich mir da etwas vor?
Ich weiß, manche von Euch fragen sich vielleicht. Mache ich mir dabei nicht etwas vor? Diese Frage ist wichtig und berechtigt. Sie bezieht sich auf das spirituelle Bypassing, indem man auf einer Wolke der Glückseligkeit wohnt, weitab von allen Anforderungen des Lebens, wo Spiritualität zur Droge, zum Opium wird.
Doch das meine ich nicht.
Wir dürfen uns von dieser Welt nicht abwenden, uns nicht eine Welt bauen, die sich von allem Harten und allen Herausforderungen trennt. Wir müssen uns allem stellen.
Doch am Ende ist nicht unser Gehirn und schon mal gar nicht unser Magen derjenige, der gewinnt und uns den rechten Weg weist, es sind unser Herz, unser Mitgefühl, unsere Hingabe, unsere Offenheit.
Kultivierung der Liebe im Leben
Die Kultivierung der Liebe in unserem Leben ist unsere Aufgabe, das sich Öffnen, das Einüben, in diesen Urgrund hinein und dass wir unserem Körper helfen, dass er auf die Fülle der Energie und der Durchflutung vorbereitet ist, damit die Liebe uns durchströmen kann, damit wir Teil dieses Stromes werden.
Damit Du endlich entdeckst: Sie ist schon da, die Liebe ist schon da und Du darfst ihr trauen.
Und, ja, sie wird Dich auf die Schlachtfelder des Lebens führen, Dir bleibt nichts erspart, sie wird Dich auch einsam machen, das kann und das wird passieren und sie wird Dich auch sterben lassen, ja, auch das.
Aber sie ist und bleibt der große Schatz Deines Lebens.
Vielleicht magst Du jetzt einfach kurz innehalten. Und Dich in Stille mit dieser Liebe verbinden – und Du musst nichts fühlen oder so, Du darfst etwas fühlen, aber Du musst nicht. Verbinde Dich damit und dann beginne, mit Deinem ganzen Körper, mit allen Zellen, diese Liebe einzuatmen, in Dich aufzunehmen, in jede Zelle aufzunehmen. Das allein kann schon ein Anfang sein.
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