So musst du es machen. Das ist der richtige Weg. Der führt dich wirklich zum Ziel. Du musst das so machen, genauso. Und du musst genau jenes genauso glauben und dann kommst du weiter. Dann hast du es geschafft. Dann gehörst du dazu. Dann kannst du sicher sein, dass du auf dem richtigen Weg bist. Ansonsten sieht es schwer aus, problematisch, wenn nicht sogar vergeblich.
Nein, du musst diesen Weg gehen, diesen einzigen Weg, den es gibt und den ich dir aufzeige. Wenn du den nicht gehst, sieht es ganz schlimm aus für dich.
Das ist nicht meine Meinung. Und so möchte ich auch nicht mit dir sprechen. So spreche ich auch nicht mit dir. Aber es ist verführerisch, wenn man spirituellen Lehrern begegnet, die einem weiß machen wollen, dass sie den einzig wahren Weg kennen. Sie zeigen ihn dir natürlich gerne – und behaupten gleichzeitig, dass es daneben keine anderen Wege gibt, die zum Ziel führen.
Die subtile Falle der Eindeutigkeit
Du denkst jetzt vielleicht: „Ach, das ist doch so offensichtlich, darauf fällt heute keiner mehr rein.“ Aber das stimmt nicht. Es läuft viel subtiler ab, als ich es gerade plakativ beschrieben habe.
Es beginnt oft ganz unscheinbar. Du gehst deinen Weg, du besuchst ein Meditationsseminar hier, einen Kurs für spirituellen Tanz dort. Es fühlt sich gut an, es ist stimmig. Und dann begegnest du jemandem, der vollkommen überzeugt ist von seinem ganz speziellen, differenzierten Weg. Er erzählt dir von Stufen und Schulungen und sagt: „Das, was du machst, kenne ich auch alles. Nicht schlecht, aber was mich wirklich weitergebracht hat, ist das hier. Das führt zum Heil, zu Gott. Alles andere kannst du vergessen, glaub mir.“
Und dann beginnst du zu zweifeln. Du denkst: „Vielleicht lag ich doch falsch?“
Das Angebot, das dir dann gemacht wird, klingt oft hart und eng. Es ist zwar durchdacht, aber es hat keine Seele. Es atmet keine Freiheit. Es ist rigoros und moralisch eng – vielleicht in einem neuen Gewand, mit einer moderneren Sprache, aber mit dem gleichen alten Kern. Es erinnert dich an den engen Glauben deiner Großeltern. Du fragst dich: Sollte ich es doch wieder so machen wie sie?
Warum wir nach Engen suchen
Es gibt viele Gruppierungen und Sekten, die dir ein Gefühl vermitteln: Wenn du dazugehörst, ist es richtig. Wenn nicht, läufst du ins Verderben. Auch hier gilt: Das geschieht nicht mit dem Holzhammer. Es passiert emotional, unterschwellig, quasi subkutan.
Ich möchte hier niemanden verurteilen, der sich solchen Gruppen anschließt, und erst recht nicht diejenigen, die zweifeln. Deine Sehnsucht nach einem guten Weg ist absolut verständlich. Wer möchte schon einen falschen Weg gehen? Niemand.
Wir möchten den Weg Gottes gehen. Wir möchten frei werden, lichtvoller, liebevoller. Wir suchen nach dem Weg, der das schafft. Aber hier liegt der Denkfehler:
Spiritualität ist keine Berufsausbildung.
In einem Beruf brauchst du Qualifikationen und Scheine. Du musst Leistungen erbringen, um in die nächste Stufe zu kommen. Das ist dort auch richtig so. Aber Erleuchtung ist nicht auf einem schulischen Weg zu erlangen.
Der Mut, sich zu irren
Ich möchte dich einladen, diese Verlockungen der Sicherheit zurückzuweisen. Durchschaue die Angebote, die dir „Richtigsein“ durch „Dazugehören“ versprechen.
Habe den Mut, deinen eigenen Weg zu gehen. Und habe den Mut, das Risiko einzugehen, dich zu irren.
Kennst du das Gleichnis aus dem Evangelium, in dem Menschen Geld anvertraut bekommen? Einer hat Angst, etwas falsch zu machen. Er versteckt das Geld, um es ganz sicher zu bewahren. Er war nicht untätig – er hat sich genau überlegt, wo er es vergräbt, damit es keiner findet. Aber am Ende wird er getadelt. Warum? Weil es besser ist, seine Lebenszeit und Energie für etwas einzusetzen, als sie aus Sorge vor Fehlern „sicher“ zu verstecken.
Der innere Meister
Spüre nach, was dir wirklich gut tut. Was führt dich in die Weite? Was führt dich in die Liebe?
Es geht um deinen inneren Weg. Nicht um eine spirituelle Karriere. Es geht nicht darum, dass du ein Zertifikat für die „dritte Einweihung“ bekommst, damit du sagen kannst: „Jetzt gehöre ich dazu.“
Lehrer und Meister sind hilfreich, solange sie dir dienen, deinen eigenen Weg zu finden. Aber sie sind im Grunde nur Projektionsflächen. Du projizierst deinen inneren Meister auf sie. Ein guter Lehrer weiß das. Er respektiert das. Er ist nur so lange notwendig, wie du diese Projektion im Außen brauchst.
Sobald du wahrnimmst, dass diese Meisterschaft schon immer in dir war, brauchst du keinen äußeren Meister mehr. Wer dich in Unmündigkeit und Abhängigkeit hält, führt dich nicht zu dir selbst.
Die tiefste Weisung für dein Leben kommt nicht von mir und von niemand anderem. Sie wird dir in deinem Innersten geschenkt.
Ein wahrer Lehrer dient dem Meister in dir. Meine Aufgabe ist es, deiner inneren Weisheit zu dienen, solange du es brauchst. Wenn du diese Quelle in dir selbst gefunden hast, wirst du deines Weges gehen. Das ist das Ziel: Freiheit und Unabhängigkeit.
Der einzige „richtige“ Weg ist der, der dich zu dir selbst führt.

