Jahrelang habe ich gedacht, ich sei nicht richtig. Irgendetwas stimmte doch nicht mit mir, so glaubte ich. Die anderen schienen okay zu sein, machten alles „richtig“. Und so versuchte ich, mich anzupassen – zu sein wie die anderen, damit ich ebenfalls „okay“ bin. Doch das Gefühl, falsch zu sein, ließ mich nicht los. Vielleicht war etwas in meiner Kindheit schiefgelaufen? Vielleicht war ich einfach fehlerhaft?
Bis ich irgendwann erkannte: Ich bin genau richtig. Nicht falsch, nicht defekt, sondern einfach anders. Hochsensibel, introvertiert – und das erklärt so vieles. Meine Art, die Welt wahrzunehmen, mich selbst wahrzunehmen, ist anders. Und das ist vollkommen in Ordnung.
Aber bis ich zu diesem Punkt kam, gingen Jahre ins Land. Jahre, in denen ich mir Vorwürfe machte, mich schämte und versuchte, ein Leben zu führen, das nicht zu mir passte. Diese Einsicht möchte ich mit dir teilen, damit es dir nicht genauso ergeht. Du bist nicht komisch. Du bist nicht falsch. Du bist einzigartig – und das ist eine Gabe.
Keine Diagnose, sondern eine alternative Perspektive
Ich möchte eines ganz klarstellen: Es geht hier nicht darum, Diagnosen zu stellen. Ich kann dir nicht sagen, ob du hochsensibel, introvertiert oder etwas ganz anderes bist. Stattdessen biete ich dir eine alternative Sichtweise an, die dir vielleicht hilft, dich besser zu verstehen.
Die Welt ist komplex, und jeder Mensch bringt seine eigene Geschichte, seine eigene Konfiguration mit. Wer du bist, wie du bist – das ist eine logische Konsequenz dessen, was du erlebt hast. Es gibt kein „normal“ im Sinne einer universellen Schablone. Es gibt nur dein eigenes Normal.
Vielleicht erkennst du dich wieder?
Frage dich mal selbst: Ziehst du dich gerne zurück? Fühlst du dich in deinem eigenen Raum wohler als in Gesellschaft? Oder findest du viele Menschen um dich herum anstrengend und brauchst du Pausen, um aufzutanken, wenn du mit anderen zusammen warst? Oder bist du jemand, der lieber in Stille arbeitet, ohne Musik oder Ablenkung?
Das sind keine Schwächen. Es sind Merkmale von Hochsensibilität und Introversion. Menschen wie wir leben in einer Welt der Extrovertierten, in der andere oft den Takt vorgeben. Aber das macht uns nicht falsch oder weniger wertvoll. Wir brauchen keine endlosen Kontakte oder ständige Stimulation. Wir brauchen Raum, Zeit und Stille – und das ist in Ordnung.
Wenn deine Haut dünn ist
Vielleicht bist du jemand, der leicht gekränkt ist. Vielleicht fühlst du dich schnell verletzt und wünschst dir manchmal, eine dickere Haut zu haben. Oder du hast wechselhafte Stimmungen: Du bist fröhlich und freundlich, doch ein kleiner Auslöser reicht, und Traurigkeit oder Wut überschatten dich.
Solche Empfindsamkeiten sind oft das Ergebnis früher Erfahrungen. Vielleicht trägst du Verletzungen in dir, die nie richtig heilen konnten. Das Wort „Trauma“ bedeutet Übersetzung „Verletzung“ – und Verletzungen können unser Verhalten beeinflussen. Doch diese Wunden können heilen. Der erste Schritt ist, sich selbst zu verstehen und anzunehmen.
Deine Wahrnehmung ist deine Superkraft
Vielleicht bist du jemand, der Dinge wahrnimmt, die andere nicht sehen. Du betrittst einen Raum und spürst sofort die Stimmung. Du hast eine Verbindung zur Natur, spürst etwas in Tieren oder Pflanzen, das anderen verborgen bleibt. Oder du erlebst intuitive Eingebungen, die aus einer tieferen Dimension zu kommen scheinen.
Andere können solche Empfindungen als seltsam oder übernatürlich abtun. Aber für dich ist das normal. Es ist eine Gabe, eine besondere Sensitivität, die dir Zugang zu Dimensionen des Lebens gibt, die anderen verschlossen bleiben. Ja, diese Sensitivität kann herausfordernd sein, aber sie ist auch ein Geschenk.
Beziehungen und das Gefühl, ausgeschlossen zu sein
Vielleicht fällt es dir schwer, Beziehungen zu anderen aufzubauen. Du fühlst dich oft ausgeschlossen, selbst in Gesellschaft. Du versuchst, dich einzubringen, doch es fühlt sich oft falsch an. Das kann seinen Ursprung in frühen Bindungserfahrungen haben.
Wenn du gelernt hast, Menschen zu misstrauen oder Angst vor Nähe zu haben, prägt das dein heutiges Verhalten. Doch auch hier gilt: Du bist nicht komisch oder unzulänglich. Es ist normal, dass deine frühesten Erfahrungen deine Art zu leben beeinflussen. Und es ist möglich, diese Muster zu erkennen und zu transformieren.
Die Kraft der Stille
Viele Hochsensible und Introvertierte suchen die Stille. Nicht, weil sie eigenbrötlerisch oder verschlossen sind, sondern weil sie in der Stille zu sich selbst finden. Vielleicht machst du spirituelle Erfahrungen in der Stille oder empfindest sie als heilsam. Das Alleinsein ist keine Schwäche, sondern eine Kraftquelle.
Fazit: Du bist richtig, so wie du bist
Es ist an der Zeit, die Vorwürfe, die Scham und das Gefühl des Andersseins loszulassen. Du bist nicht falsch oder defekt. Du bist hochsensibel, introvertiert, vielleicht sogar hochspirituell. Und all das macht dich einzigartig.
Nimm dir Zeit, dich selbst zu verstehen und anzunehmen. Deine Sensitivität und deine Art, die Welt zu erleben, sind wertvoll. Sie sind kein Mangel, sondern ein Geschenk. Und genau so, wie du bist, bist du richtig.