Hat Gott einen Namen?

16. August 2022

Wir könnten Gott lediglich Gott nennen und alles könnte damit erledigt sein. Aber wir haben offensichtlich eine Sehnsucht danach, Gott einen Namen zu geben, Gott mit Namen ansprechen zu können. Wie unsicher fühlen wir uns doch, wenn wir jemanden auf der Straße treffen und wir haben seinen Namen vergessen. Wir grübeln, denken nach, versuchen sprachliche Brücken zu bauen, sodass wir nicht gezwungen sind, einen Namen in einen Satz einzubauen. Und dann fällt er uns plötzlich ein und wir können den Bekannten ansprechen.
Und wie angerührt sind wir, wenn jemand Fremdes oder weniger Bekanntes uns mit unserem Namen anspricht. Man weiß, dass Newsletter, die den Namen des Adressaten in der Betreffzeile beinhalten, viel häufiger geöffnet werden.
Namen sind also Türöffner, schaffen Vertrauen und Vertrautheit. So sprechen wir manche Menschen mit dem Vornamen und andere nur mit dem Nachnamen an. Einige bekommen Ehrentitel und andere nicht.


Namen haben Bedeutung

Namen haben also eine große Bedeutung für uns.
Schon im Buch Genesis, also in der Schöpfungsgeschichte spielten Namen eine wichtige Rolle. Adam, der Urmensch erhielt von Gott den Auftrag allen Lebewesen einen Namen zu geben. Der Name war hier ein Akt des Bewusstseins, des bewussten Unterscheidens.
Und wenn wir weiter schauen, dann kommt natürlich gleich die Taufe in den Sinn, bei der der Täufling seinen Namen erhält. Und in der Schule oder vielleicht sogar schon im Kindergarten geben Freunde uns einen Spitznamen, der manchmal noch mehr Vertrautheit und Zugehörigkeit schafft. Manchmal sind solche Spitznamen auch Demütigungen und Kränkungen.
Und viele Menschen, die eine tiefe spirituelle Erfahrung gemacht haben und vielleicht einem Meister oder einer Lehrerin folgen, sie geben sich einen neuen Namen, wie Mönche beim Eintritt in ein Kloster. Es soll zeigen, dass ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat, dass es jetzt eine Art zweite Version von diesem Menschen gibt.
Der Name schafft Existenz - wie wir schon im Buch Genesis gesehen haben. Und so geben wir Tieren Kosenamen, selbst Maschinen haben eigene Namen. Manche geben ihrem Auto einen solchen Namen oder ihrem Staubsauger und geben diesem Gerät dann einen Hauch von Seele.
Mit dem Namen habe ich sozusagen die Koordinaten des Seins eines Menschen, kann ihn bestimmen und hervorrufen, ihn anrufen und jemanden gezielt meinen.
Du siehst, wenn wir darüber nachdenken, dann öffnet sich im Grunde eine eigene Philosophie des Namens.
Wie sieht es jetzt aber mit dem Namen Gottes aus?
Auch für Gott ist es uns wichtig, einen Namen zu haben. Im Alten Testament stellt sich Gott als der Ich-bin-Da vor. Und im neuen Testament nennt Jesus Gott Abba, was ja bekanntlich so viel bedeutet wie Väterchen, Papa. Es ist also ein sehr liebevoller und zärtlicher Name, den er seinem Vater gibt.
Und im Vaterunser sprechen wir, dass der Name Gottes geheiligt werden möge.


Namen Gottes in anderen Religionen

Mit dem Namen für Gott haben wir Zugang zu Gott, können wir Gott ansprechen und anrufen, können ihn zu anderen Vorstellungen von Gott unterscheiden.
Und nicht vergessen dürfen wir die 99 Namen Gottes, wie sie im Koran stehen. Der eine Gott des Islam hat zugleich viele Namen. Und damit wird gewiss deutlich, dass in Gott die Differenzierung und die Einheit keinen Widerspruch bilden.
Wenn wir dann in den Religionen dieser Welt weiterschauen, dann hat der Hinduismus zwar Namen für Gott, der Buddhismus hingegen nicht. Hier werden Namen abgelehnt. Die letzte Wirklichkeit ist unbenennbar. Denn wenn wir dieser Wirklichkeit einen Namen gäben, dann machten wir sie zu einem Ding unserer Welt, dann wird sie zu irgendetwas, was nicht viel anders ist als alles andere. Die letzte Wirklichkeit, also Gott, ist aber namenlos.


Im Namen offebart sich das Wesen

Wie verhält es sich nun mit dem Namen Gottes? Brauchen wir einen solchen Namen oder welche Bedeutung kann es haben, Gott einen Namen zu geben.
Wie schon erwähnt, entstehen Nähe und Vertrautheit, wenn ich den Namen meines Gegenübers kenne. Es eröffnet mir Zugang, es ist Beleg für eine Beziehung, wie lose sie auch sein mag. Wenn ich den Namen kenne, dann hat schon etwas stattgefunden, eine vielleicht sehr kurze Geschichte unserer Beziehung liegt schon hinter uns. Denn zumindest muss mir jemand von diesem Menschen berichtet haben, muss mir seinen Namen gesagt haben. Und vielleicht habe ich gezielt danach gefragt. Der Name ist Ausdruck einer Beziehungsgeschichte - auch mit Gott.
Mit dem Namen wird Gott anrufbar, ich kann meine Sehnsüchte nicht nur ins Wort fassen - das kann und macht jeder Dichter und jede Lyrikerin - ich kann diese ins Wort gefasste Sehnsucht auch “versenden”, an jemanden richten.
Dass sich die Religionen so viel um die Namen Gottes gekümmert haben, zeigt zudem, dass sich im Namen der Charakter oder das Wesen Gottes zeigt und ausdrückt. Wenn ich Vater sage, dann sind damit ein bestimmtes Wesen und bestimmte Eigenschaften gemeint. Theresa von Avila nannte Gott “seine Majestät”, das kommt uns heute vielleicht komisch vor. Aber sie drückte damit etwas für sie Wichtiges aus, es schaffte Ehrfurcht, Achtung, aber auch große Distanz.


Ein Name schafft Distanz und Zweiheit

Aber ein Name schafft auch Differenzierung, sorgt dafür, dass wir eine gewisse, aber entscheidende Distanz haben. Denn mit dem Namen sage ich, Du bist dort und ich bin hier, wir sind zwei verschiedene Wesen, ich trenne damit Subjekt und Objekt. Das tue ich insgesamt mit der Sprache. Unsere europäischen Sprachen kommen ohne diese Trennung gar nicht aus. So werden bei uns Sätze gebildet. Aber der Namen verdeutlicht das noch.
Der Name macht noch klarer, dass es zwischen Dir und mir einen Unterschied gibt.
Und letztlich muss man ja auch sagen, dass der Name zwar etwas über mich aussagt, aber doch auch nur ein Label ist. Es ist nicht die Zusammenfassung meines Wesens und es bringt nicht auf den Punkt, wer ich wirklich bin.
Und das gilt natürlich erst recht für Gott. Welcher Name könnte denn das umfassende Wesen Gottes zusammenfassen, welches Wort wäre so weit und so tief, dass es alle Dimensionen Gottes auch nur annähernd ausdrücken und mitteilen könnte?


Kein Name passt zu Gott

Wir wissen es, es gibt kein solches Wort. Daher ist es verständlich, dass in manchen östlichen Religionen auf einen solchen Namen verzichtet wird, weil es keinen Namen gibt.
Oder aber man sagt, dass Gott viele Namen hat, 99 vielleicht, aber vermutlich noch viel mehr.
Wir dürfen durch den Namen Gottes nicht das Geheimnis dahinter verbergen oder den Anschein vermitteln, dass Gott das ist und so ist. Der Name ist eben nur ein Name, wenn man so will ein Hilfsmittel, das es uns einfacher macht.
Jedes Wort kann zu einem Namen werden, auch das Wort Gott, oder das Göttliche oder das Seiende, wenn wir es etwas philosophischer wollen. Auch hier kann sich einschleichen, dass wir etwas verfestigen und festlegen wollen.
Wenn wir im Kontakt mit dem Lebendigen bleiben wollen, mit Gott, dann ist es wichtig, die Namen immer wieder zu verflüssigen und immer wieder uns darin zu üben, der Versuchung nicht nachzugeben der Illusion zu glauben, wir hätten etwas von Gott verstanden und wir wüssten den Namen Gottes.
Gott hat keinen Namen, Gott bleibt uns im Kern unbekannt:
Und so bleibt der Weg eine Suche, ein Erforschen und ein Versuch, ein immer wieder Verwerfen und Neu Finden.

korrigiertes Transskript


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