6. Mai 2023

Es war vor ein paar Jahren, da arbeitete ich mit einem Kollegen zusammen. Wir hatten eigentlich weder eine gute noch eine schlechte Beziehung zueinander. Dennoch wurde ich oft wütend, wenn wir zusammen ein Projekt durchführten. Die Anlässe waren oft gering und ich wunderte mich immer wieder, warum ich bei Lappalien schon auf 180 war. Wie konnte das passieren? Es war nichts vorgefallen und nichts passiert, warum ich eine solche Wut entwickelte. Vielleicht kennst Du das?

Etwas Ähnliches hatte ich auch bei einem Mitbruder, der mich immer irgendwie traurig machte und weshalb ungern in seiner Nähe war. Doch es gab für mich keinen ersichtlichen Grund. Bis ich eines Tages verstand. Ich verstand, dass diese Gefühle, also die Wut und die Traurigkeit gar nichts mit mir zu tun hatten. Als ich das begriff, wurde mir klar, was für ein Mechanismus hier am Werk war. Und es ging noch weiter. Ich erkannte nämlich, dass es da noch einen anderen Weg gab, warum ich traurig werde, obwohl es dafür keinen Grund gibt - keinen Grund, der mit mir zu tun hat. Diese beiden Wege, wie wir traurig werden, obwohl es dafür keinen ausreichenden äußeren Anlass gibt, die möchte ich Dir heute vorstellen.


Jeder/Jede ist mal traurig

Zunächst aber ist es wichtig zu verstehen. Dass es natürlich auch gute Gründe gibt, warum man traurig sein kann. Anlässe gibt es dafür in einem Leben genug. Verlustsituationen gehören dazu, traumatische Ereignisse können Anlass dafür sein, dass ich mein ganzes Leben in Traurigkeit verbringe. Traurigkeit ist auch Teil einer Depression und kann eine ganze Familie schwer belasten. Es gibt solche Ursachen, die allein in der Lebensgeschichte eines Menschen zu finden sind. Aber das reicht oft als Erklärung nicht aus und entspricht nicht immer unseren Erfahrungen.

Dennoch ist es wichtig, dass wir uns grundsätzlich Traurigkeit und Trauer zugestehen. Es ist ein legitimer Ausdruck unserer Gefühle und unseres Innenlebens. Für alle solche belastenden Gefühle ist es wichtig gelernt zu haben, darin nicht unterzugehen. Wut und vor allem Angst und Traurigkeit können uns manchmal überschwemmen und wir haben Angst, nicht mehr herauszufinden oder darin unterzugehen. Dann kann es helfen, diese Gefühle zu begrenzen. Beispielsweise hilft es sehr, wenn man sich ein oder zwei Stunden am Tag Zeit nimmt und den Gefühlen freien Lauf lässt, dann aber, wenn die Zeit um ist, die Gefühle wieder begrenzt, sodass der eigene Alltag durchgeführt und gelebt werden kann.


Übernommene Traurigkeit

Es kommt wirklich nicht selten vor, dass die Ursachen unserer Gefühle nicht allein oder gar nicht in uns und unserer Biografie zu suchen sind. Dabei gibt es zwei Ursachen, die immer wieder auftreten.

Wenn Du traurig bist und den Eindruck hast, dass dieses Gefühl mit Dir und Deinem Leben zumindest nur zu einem Teil zu tun hat, dann kann es sein, dass Du Gefühle aus der Gegenwart übernimmst.

Was ist damit gemeint? Nun, zunächst ist das ganz hirnphysiologisch zu verstehen. Wir alle haben sogenannte Spiegelneuronen. Sie sorgen dafür, dass wir uns gut in andere Menschen einfühlen können. Jeder Spielfilm, jeder Krimi und jede Liebesgeschichte arbeiten damit. Ich sehe ein trauriges Gesicht, ich sehe, wie der Protagonist in Gefahr gerät, es kann sein, dass er umkommt und ich entwickle Angst und Sorge. Das ist ein klassischer Fall der Spiegelneuronen, sie spiegeln das wider, was ich sehe, höre, kurz, was ich mit meinen Sinnen wahrnehme.

Besonders hochsensible Menschen sind dafür empfänglich, die Gefühle anderer Menschen zu übernehmen. Und das betrifft nicht nur den Fall mit den Spiegelneuronen, sondern zum Beispiel auch, wenn es um eine energetische Übertragung geht. Denn Emotionen anderer können sich auch energetisch übertragen. Ich erzählte ja von dem Kollegen, der mich wütend machte. Er selbst war nicht wütend, er spürte seine Wut nicht und in seinem Gesicht war auch nichts von Wut zu sehen. Spiegelneuronen konnten also nicht am Werk sein. Es stellte sich aber später heraus, dass in ihm eine bisher unbekannte Wut war – die übrigens nichts mit mir zu tun hatte. Ich hatte diese Wut gespürt, die er in sich trug, die er aber selber nicht spürte. Das ist eine energetische Übertragung. Gerade unbewusste Inhalte haben ein hohes Maß an Energie in sich und diese Energie sucht sich gerne einmal einen Wirt – wie bei einem Virus, um sich auszudrücken.

Wenn Du also bei bestimmten Menschen und nach einer Begegnung mit bestimmten Menschen traurig wirst, dann kann es daran liegen, dass Du auf energetischem Wege die Gefühle dieses Menschen aufgenommen hast. Erst recht, wenn Du hochsensibel bist und jede Schwingung in Deiner Nähe wahrnimmst.

In der Psychotherapie oder in der Beratung kann das sehr hilfreich sein, weil man dann als Therapeut oder Beraterin mit diesen übernommenen Gefühlen arbeiten und so Prozesse schneller gestalten kann. Im Alltag kann es dagegen sehr belastend sein. Es ist daher so ungeheuer wichtig, gelernt zu haben, sich zu schützen. Es ist wichtig zu wissen, was sind meine Gefühle und was sind übernommene Gefühle. Allein diese Frage sich ständig zu stellen kann helfen, den Unterschied besser feststellen zu können und sich nicht mit jedem Gefühl zu verbinden.


Der Sendermodus

Ich halte für den besten Schutz den, der im Grunde kein Schutz ist. Es ist das Umswitchen vom Empfängermodus zum Sendermodus. Ich glaube, dass die meisten Menschen gut darin sind, Energie von anderen zu empfangen. Sie spüren schnell, wie es anderen geht und fühlen sich rasch beeinträchtigt durch die Gegenwart anderer. Sie haben nicht gelernt, zu senden. Du kannst in einen Raum gehen und eine Empfängerin sein. Dann wirst Du alles spüren, was sich im Raum befindet und kannst auch von allem in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn Du aber beginnst, einen Raum mit Deiner Energie zu füllen, mit Deiner Präsenz, Deiner Liebe, Deiner Freundlichkeit und Deinem Frieden, dann bist Du von anderen Energien abgeschirmt. Man kann nur empfangen oder senden und nicht beides zugleich. Deshalb ist der beste Schutz, Senderin von Energie zu werden und weniger Empfängerin zu sein – es sei denn Du willst es oder es ist wichtig, den anderen Modus zu wählen.

Bis dahin aber, denn das ist ein längerer Weg, kann es gut sein, sich durch Visualisierungen zu schützen. Solltest Du übrigens an diesem Thema Interesse haben, wie Du es lernen kannst, Energie zu senden statt nur zu empfangen, dann schreibe mir einen kurzen Kommentar unterhalb des Beitrags. Wenn ich sehe, dass das Interesse größer ist, dann werde ich daraus entweder ein Video oder einen Workshop machen.


Gefühle in der Familie

Nun möchte ich noch zu dem zweiten Weg kommen, wie ich Gefühle übernehme, die nicht zu mir gehören. Im ersten Teil ging es um Ereignisse und Begegnungen aus der Gegenwart. Es kann aber auch um Begegnungen oder Verbindungen aus der Vergangenheit gehen. 

Da ist einmal die eigene Familie zu sehen. Wir leben als Familienmitglieder – egal, ob sie noch leben oder nicht, in einer Art geistigem Feld. Jeder hat in diesem Feld seinen Platz – manche Plätze sind gut und manche sind weniger gut. Es wäre natürlich gut, wenn jeder einen Platz einnehmen kann, der allen guttut. Doch das geschieht nicht immer. Wenn jemand einen Platz eingenommen hat, der nicht gut ist, der vielleicht sogar mit Tod oder Trauer zu tun hat oder mit Verlust, dann kann es sein, dass dieses Gefühl sich später ausdrückt. Jedes Gefühl hat den sehnlichsten Wunsch, gefühlt zu werden, am liebsten von der Person, zu der es gehört. Gelingt das nicht, dann findet das Gefühl andere Wege.

Und dann spielen Generationen keine Rolle mehr, dann kann es sein, dass Du etwas spürst, was Deine Oma schon gespürt hat, die Du nie kennengelernt hast. Oder es kann sein, dass Deine Traurigkeit die Traurigkeit Deines Großonkels ist, der im Krieg gefallen ist und der vielleicht sein eigenes Kind nie sehen konnte.

Rupert Sheldrake hat übrigens mit seiner Hypothese der morphischen Felder viel dazu beigetragen, solche Phänomene ernst zu nehmen und zu verstehen.

Solche Gefühle lassen sich am ehesten orten, wenn Du eine diffuse Trauer oder auch eine diffuse Wut spürst, also eine, die nicht gleich jemandem oder einer Situation zuzuordnen ist. Dann kann es sich um ein übernommenes Gefühl aus der Vergangenheit handeln.


Orte und Gefühle

Ähnlich verhält es sich mit einem anderen Phänomen. Man kann nämlich auch Orte besuchen und dabei immer ein bestimmtes Gefühl haben. Das kann Traurigkeit, aber auch Scham oder Angst oder Wut sein. Du hast mit diesem Ort keine Geschichte und es ist daher nicht einzusehen, warum Du immer dann ein solches Gefühl in Dir spürst.

Wenn Du also an einem Ort bist, der Dir immer ein bestimmtes Gefühl vermittelt, dann bist Du mit Ereignissen aus der Vergangenheit verbunden, die an diesem Ort geschehen sind. Du bist also, um es mal bildlich zu sagen, in diese Felder eingestiegen und als sensibler Mensch kannst Du spüren, was hier noch präsent ist. Und deshalb bist Du an diesem Ort wütend oder eben traurig.


korrigiertes Transskript

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