Wie du mehr Selbstliebe erlangst

2. Dezember 2023

Das ist eines der Worte und Themen, zu denen es gewiss die meisten  YouTube-Videos, Bücher und Blog-Artikel gibt. Und das ist nicht ohne Grund so, weil nämlich viele darunter wirklich leiden. Es geht heute um die Selbstliebe. Ich kenne wenige Menschen, die von sich behaupten, sich genug zu lieben. Vielmehr erlebe ich es, dass die meisten sagen, dass sie sich zu wenig lieben, dass sie sich sogar nicht mögen und leiden können. Und daraus entsteht echtes und schweres Leid, ohne Frage.

Oft machen Menschen, die darunter leiden und an ihrer Selbstliebe arbeiten wollen, eine lange Reise. Sie beginnen Bücher zu lesen, recherchieren im Internet, schauen sich YouTube-Videos an, wie vielleicht dieses hier. Und so sammeln sie über die Jahre ganz viele Übungen, Tricks und Ideen, was sie machen können, um sich endlich richtig lieben zu können.


Der übliche Weg

Sehr beliebt sind entsprechende Affirmationen, also Sätze, die man sich vorsagt und die dann so auf unser Unbewusstes wirken sollen, dass negative Gedanken ausgeschaltet werden und die Affirmation als neuer Glaubenssatz angenommen wird. Klingt gut, klappt aber oft nicht.

Dann kommen noch zahlreiche Übungen dazu, zum Beispiel sich nicht mit anderen zu vergleichen, sich selbst zu feiern und sich mehr Zeit für sich selbst zu nehmen. Das ist alles richtig und wichtig und kann unterstützend wirken. Doch oft ist ein solches Verhalten Ausdruck der Selbstliebe, zeigt sich also, wenn ich mich selbst liebe. Doch das heißt noch lange nicht, dass ich beginne, mich selbst zu lieben, wenn ich mich so verhalte, als würde ich es tun. Wenn ich mir mehr Zeit für mich nehme, dann kann man sich vielleicht auch vorstellen, dass man dann auch mehr Zeit für den Selbstzweifel hat - gehört ja auch irgendwie zu dir.


Selbstliebe vs. Egoismus

Das Problem mit der Selbstliebe ist aber, so sehe ich es, ein ganz anderes, und davon werde ich dir gleich erzählen - es wird die Art, wie du auf das Thema Selbstliebe schaust, umdrehen. Aber vorher möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, der nicht selten zu hören ist. Es ist die Angst oder Sorge, dass Selbstliebe schon Egoismus ist. Darf man sich überhaupt so lieben, darf man sich selbst so in den Mittelpunkt stellen?

Und meine Antwort darauf lautet: Ja, darf man. Es geht nämlich nicht um Egoismus, sondern darum, dass du lernst, dich zu lieben, weil du dann erst in der Lage sein wirst, andere Menschen auch zu lieben. Das eine ist nicht ohne das andere zu haben, und daher ist es gerade wichtig, dass jeder Mensch lernt, sich zu lieben, damit jeder auch andere Menschen lieben kann. Und echte Liebe ist zudem nie egoistisch.

Also machen wir uns auf den Weg und erkunden das Thema Selbstliebe und wie wir daran arbeiten können, uns selbst mehr zu lieben. Und da möchte ich mal ganz grundsätzlich vorgehen und mit der Frage beginnen, was denn das Selbst eigentlich ist? Um welches Selbst handelt es sich hier, das geliebt werden soll oder das lieben soll - man kann das ja von zwei Richtungen aus lesen.


Was ist das Selbst?

Wenn wir nämlich von Selbstliebe sprechen, dann scheint irgendwie allen klar zu sein, worum es geht. Das Wort und die Begriffe werden nicht mehr geklärt, und so bewegen wir uns im Grunde immer wieder in eine Sackgasse hinein. Die Frage lautet also: Wer soll hier wen lieben oder eben anders gefragt: Was ist denn das Selbst überhaupt? Ist es das, was 'Ich' sagt, ist es das, was sagt, dass es mehr Liebe braucht, oder ist es das, was darunter leidet, dass man sich nicht genug liebt, oder ist es das, was vielleicht manchmal sagt, 'Stell dich nicht so an! - Anderen geht es auch nicht besser!' Was ist das Selbst? Eines von den Genannten oder etwas anderes? Im Grunde ist es keines von dem, was ich gerade aufgezählt habe. Es ist nicht das Gefühl, dass ich leide und Liebe vermisse, es ist nicht die Seite in mir, die sagt: Du brauchst mehr Liebe! Es ist etwas ganz anderes.

Und da beginnt es dann spannend zu werden, denn wir reden hier ja über deine Identität, darüber, wer du bist und wo du bist, so wie du bist. Es geht um den Kern deiner Selbstwahrnehmung und deines Selbstverständnisses. Was ist dein Selbst? Ich pirsche mich langsam heran an diesen Begriff und sage zunächst, dass das Selbst eine besondere innere Qualität ist. Ich kann mir vorstellen, dass du dich jetzt fragst, was denn das nun wieder sein soll. Aber warte bitte ab.

Das Selbst ist eine besondere innere Qualität, und ich beschreibe es deshalb so blumig, weil es sich dadurch von allen anderen Elementen oder Teilen in dir deutlich unterscheidet. Das Selbst ist nicht einfach ein Element von vielen in meinem Inneren, wie der Teil zum Beispiel, der mir sagt, jetzt etwas zu essen, oder morgens zur Arbeit zu gehen, oder auch der Teil, der mir sagt, dass ich mich mehr lieben sollte. Das sind alles ganz gewöhnliche innere Teile, könnte man sagen, was nichts heißt, dass man unter ihnen nicht auch sehr leiden kann.

Doch das Selbst, das ist irgendwie anders, es ist zunächst betrachtet eine besondere innere Qualität. Und nun schauen wir uns mal an, welche Qualität denn dieses Selbst besitzt. Das Selbst ist klar - es sieht die Dinge sehr eindeutig. 

Das Selbst hat ganz natürliches Mitgefühl - es braucht nicht erst dazu angehalten werden oder erzogen werden, es ist ganz von selbst da. 

Das Selbst ist sehr interessiert und ist daher offen für Neues. 

Das Selbst hat in sich eine Zuversichtlichkeit - es sieht natürlich all die Schwierigkeiten, die das Leben für einen bereithalten kann, doch hat es die Zuversicht, dass wir das meistern können, dass es schon gut ausgehen wird - zumindest teilweise. 

Und das Selbst liebt - es kann gar nicht anders. Das heißt nicht, dass es immer im Zustand des Verliebtseins ist - das ist im Grunde auch gar nicht das Selbst. Wenn wir verliebt sind, dann gibt es ganz andere innere Teile, die sich dem annehmen. 

Das Selbst liebt - liebt alle Teile und kann Liebe in diese Welt senden.

Und vielleicht ahnst du jetzt schon, wohin unsere Reise gehen wird. Denn wenn das Selbst immer schon liebt und gar nicht anders kann, dann gibt es das Problem gar nicht, dass du dich nicht genug liebst, das Problem heißt dann anders.


Jeder Mensch liebt sich!

Um es nochmals und klar zu sagen: Niemand auf der Welt liebt sich nicht, und niemand hat in dem Sinne überhaupt das Problem, sich nicht zu lieben. Das Problem heißt anders. Das heißt, dass du dich liebst, auch wenn du es nicht spürst, selbst dann, wenn du dich hasst. Es ist dann eine unbewusste Liebe, könnte man sagen. Du liebst dich immer. Und bevor ich dazu komme, was dir wirklich helfen kann - denn nur durch dieses neue Verständnis ist dir noch nicht wirklich geholfen, das ist mir klar.

Aber bevor ich dazu komme, möchte ich erst einmal mit den Begriffen weitermachen. Über das Selbst haben wir gesprochen. Reden wir noch kurz über die Liebe. Ich hatte ja schon angefangen, über diese Liebe zu sprechen, von der es heißt, dass wir mehr davon brauchen oder überhaupt etwas. Wenn diese Liebe immer schon da ist, dann ist diese Liebe auch immer schon in jedem Menschen.


Alle Eltern lieben ihre Kinder!

Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen vielleicht den Eltern die Schuld geben oder ihnen vorwerfen, sie nicht genug geliebt zu haben. Und es wird vielleicht zahlreiche Situationen der Lieblosigkeit geben, die man mit gutem Grund aufzählen kann. Und das könnte dann auf das Kind auch gar nicht anders wirken, als zu der Einsicht zu kommen, nicht liebenswert zu sein. Doch wenn im Selbst eines jeden Menschen die Liebe eine ganz natürliche Mitgabe ist, eine ganz normale Qualität, die sich nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere bezieht, dann können wir jetzt sogar sagen, dass dich deine Eltern geliebt haben, egal was sie taten. Ihr Handeln mag gemein, abscheulich und unmöglich gewesen sein, doch in ihrem Selbst haben sie dich geliebt und konnten es vielleicht selbst gar nicht spüren.


Wie man den Zugang zur Liebe verliert

Und so kommen wir der Frage näher, wie es denn sein kann, dass man die eigene Liebe zu sich und zu seinen Kindern nicht spürt. Was verhindert diese Liebe, so dass ich dann feststellen muss, mich nicht genug selbst zu lieben? Was hindert Eltern daran, liebevoll mit den Kindern umzugehen?Was hindert mich daran, mich nicht genug zu lieben?

Es ist im Grunde recht einfach: Bei allen, die sich mehr Liebe zu sich selbst wünschen, bei all diesen Menschen, die sehr darunter leiden, nicht diese Atmosphäre der Akzeptanz und der Liebe in sich zu spüren, sondern die Atmosphäre der Missachtung, des Schmerzes und der Ablehnung. Bei all diesen Menschen hat sich etwas in den Mittelpunkt gestellt und hat begonnen, bestimmend zu wirken. Ein Teil nimmt eine Rolle ein, die ihm so auf Dauer nicht zusteht. Und so verlierst du den Zugang zu diesem Selbst, in dem die Liebe wohnt. 

Du verlierst den Zugang, weil sich ein Teil - meistens ein verletzter Teil und ein Teil, der dafür sorgt, nicht mehr verletzt zu werden.

Das kann passieren, indem du dauerhaft lieblos behandelt wurdest, durch Traumatisierungen, kurz: durch all das, was das Leben uns antut. Wir erleben etwas, was uns zutiefst verunsichert und kränkt, und damit wir das nicht mehr erleben müssen, kreieren wir einen Teil in uns, der durch Aggressivität oder durch Depression dafür sorgt, dass wir dieses Gefühl nie mehr spüren müssen. Und so sitzt vielleicht die Depression oder die Traurigkeit auf dem Platz, auf dem das Selbst sitzen müsste.

Und schon hast du zumindest einen gestörten und reduzierten Zugang zum Selbst und damit zu deiner Liebe in dir. Das ist das Problem. Und wie findet man also zurück zur Liebe und zum Selbst, was kann dir jetzt helfen? Wenn es dir gelingt, einen Abstand zwischen dir und deinen Gefühlen zu schaffen, einen Abstand zwischen dir und deinen Gedanken zu schaffen, dann hast du einen ersten Schritt getan, denn das ist der Zustand, den wir Selbst nennen. Es ist der Zustand, nicht von Gefühlen besetzt zu sein, sondern auf unsere Gefühle blicken zu können. Das wird anfangs noch mühsam sein, und es heißt auch nicht, tu das und alles wird gut. Es ist ein Anfang.


Spiritualität als Praxis der Selbst-Findung

Aber das, was dir helfen kann, ist alles, was wir in unserer spirituellen Praxis schon tun. Meditation ist der Weg, Raum für das Selbst zu schaffen. Lasse alle Gedanken und Gefühle los - verdränge sie nicht, sondern lenke einfach deine Aufmerksamkeit auf keines der Gefühle und Gedanken. Und so öffnet sich das Tor zu deinem Selbst. Und wenn du dort bist, dann ist es deine Aufgabe, dich liebevoll um deine verletzten und gekränkten inneren Anteile zu kümmern. Sei der liebevolle Vater oder die liebevolle Mutter für deine verletzten Teile, die du dir für dich selber immer gewünscht hast.

Das alles wird Zeit brauchen - sei behutsam dir selbst gegenüber! Aber in allen ist diese Liebe vorhanden, wir müssen sie freilegen und dann die Verwundeten behandeln. So wächst in dir nicht nur der Zugang zum Selbst, sondern auch zu der Liebe in dir. Denn diese Liebe hat jede und jeder - auch wenn sie vielleicht nicht gefühlt wird. Und diese Liebe speist sich letztlich aus Gott, es ist eine göttliche Liebe, die in uns wohnt und die sich nichts sehnlicher wünscht, als ans Tageslicht zu kommen, sich zeigen zu dürfen, zu allen Menschen und natürlich und selbstverständlich auch zu dir selbst.


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