Wie Du Sinnlosigkeit im Leben überwindest

29. Juli 2023

In unserem Zeitalter wird die Sinnlosigkeit des Lebens als eines der größten Probleme der Menschen betrachtet. Oder besser gesagt: Es ist der Eindruck, den manche Menschen haben, dass das Leben keinen Sinn hat. Wenn ich es so formuliere, liegt dies daran, dass ich zutiefst davon überzeugt bin, dass das Leben einen tiefen Sinn birgt.

Der kanadische Kognitionswissenschaftler Paul Vervaeke beschreibt die Bedeutungs- und Sinnlosigkeit der Menschen im Westen als eine der größten Herausforderungen. Er bemüht sich darum, den Menschen eine Sinnperspektive zu bieten, die man kurz so zusammenfassen kann: Religion ohne Religion.


Veränderung in der Zeit

Dies deutet bereits auf einen der Hintergründe hin, warum die Sinnlosigkeit so stark um sich greift. Früher waren die Menschen in unserem Kulturkreis selbstverständlich in einen zusammenhängenden Sinnrahmen eingebunden. Nahezu alle gehörten einer der beiden großen Kirchen an. Und auch wenn nicht jeder an Glaube, Kirche, Gott und Jesus glaubte, bot dieser Rahmen dennoch eine starke Grundlage, von der ein großer Prozentsatz der Menschen ihren Sinn im Leben ableitete.

Dieser Rahmen war verlässlich, etwas Absolutes und Unumstößliches. Somit verlieh er Sicherheit und Klarheit. Über die Schattenseiten wurde in den letzten Jahrzehnten ausreichend geschrieben.

Doch heute ist alles anders, und es gibt keinen Weg zurück. Kirchen spielen eine geringere Rolle, und die Mitgliederzahl nimmt in erstaunlicher Geschwindigkeit ab. Dadurch ist der Rahmen verloren gegangen. Nun stellt sich die Frage: Was gibt es jetzt noch für einen Sinn, und wie können wir unserem Leben eine Bedeutung geben?


Nicht ohne Metaphysik

Persönlich glaube ich, dass eine wahre Sinngebung nicht ohne Metaphysik auskommt. Das heißt, es geht nicht ohne etwas, das über allem steht und unzerstörbar ist. Dies muss nicht zwangsläufig Gott sein, doch es liegt nahe, ihn damit in Verbindung zu bringen. Für manche Menschen sind bestimmte Werte wichtig, die sie in ihrem Leben leben und verwirklichen möchten, und es gibt Menschen, die dafür sogar bereit sind zu sterben, ohne an Gott zu glauben.

Dennoch bleibt in einem solchen Fall die Frage offen, wer die Werte hochhält, wenn sich alle anderen dagegen stellen. Was passiert mit einem Wert, wenn niemand mehr existiert, der ihn einhält? Existiert der Wert dann überhaupt noch, und wenn ja, wo ist er dann?

Ich glaube daran - und das wird wohl nicht überraschen - dass wir Sinn in unserem Leben nur durch eine Form der Transzendenz finden können, ganz gleich in welcher Ausprägung. Dies kann ein christlicher Gott sein, das Lebendige in der Natur, das Nirwana im Buddhismus oder sogar der Patriotismus in manchen Ländern, der oft religiös daherkommt. Doch ohne eine solche Transzendenz halte ich einen dauerhaften Sinn für unser Leben für kaum möglich.

Sinn muss für mich etwas sein, das unser Leben und das Leben aller Menschen überdauert. Aber hier liegt das Hauptproblem, warum Du möglicherweise den Sinn Deines Lebens noch nicht gefunden hast. Es ist die moderne Gretchen-Frage: Ist alles nur Materie und auf materielle Prozesse zurückzuführen, oder gibt es darüber hinaus eine Wirklichkeit, die in unsere materielle Welt hineinwirkt und gleichzeitig in ihr gegenwärtig ist?


Schau tiefer!

Wie schaust Du also auf die Welt und auf das, was Dich umgibt? Die meisten Menschen schauen nur auf die Oberfläche. Das Auge kann nichts anderes sehen. Aber mit unserem Geist können wir tiefer schauen. Dann erkennen wir in einem Apfel mehr als nur Biomasse. Wir schauen tiefer und erkennen, dass der Apfel nicht nur aus Wasser, Kohlenhydraten, Rohproteinen, Fetten und Mineralstoffen besteht. Ein Apfel ist Ausdruck des Lebendigen, das alles durchwaltet, was lebt. Es ist die gleiche große Kraft, die in einer Ameise, einem Bakterium, einem Menschen, einer Katze, einer Banane oder einem Alpenveilchen wirkt und aktiv ist.


Was ist ein Apfel?

Dieses Leben hat uns das Leben geschenkt. Es ist in uns und wird uns überdauern. Unser Körper mag sterben, aber das Leben in uns wird weiterexistieren. Ein Apfel ist also nicht nur ein Ausdruck des Lebens, sondern auch ein Bote der Lebendigkeit.

Doch damit nicht genug. Ein Apfel ist nicht nur Ausdruck des Lebendigen, sondern auch ein Symbol. Ihm haftet etwas Geistiges an. In einem Symbol vereinen sich geistige Qualität und physische Erscheinung. Das Kreuz ist im Christentum ein Symbol für den Glauben, doch im Grunde sind es nur zwei Holzbalken, die überkreuzt zusammengesteckt wurden. Auch ein Kuss ist nicht mehr als das Drücken eines gespitzten Mundes auf die Wange eines anderen Wesens, nichts weiter. Doch zugleich besitzt er eine symbolische Bedeutung, die weit über die beobachtbare Ebene hinausgeht.

So verhält es sich mit allem auf der Erde, auch mit Dir. Du bist ebenfalls ein Symbol für diese Welt, ein Zeichen, in dem sich das Physische und das Geistige vereinen. Und dieses Geistige ist eine Form der Wirklichkeit, die sich materiell nicht darstellen lässt. Sie übersteigt das Physische, weshalb wir sie auch als Metaphysik bezeichnen.


Das wissende Feld

Die Welt kennt sehr unterschiedliche Traditionen und damit einhergehend auch sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was das Geistige ist. Bert Hellinger, der die Familienaufstellung wesentlich geprägt hat, und andere beschreiben es in modernerer Sprache als "wissendes Feld". Ein Feld, zu dem wir Anschluss finden können und aus dem wir Wissen generieren können. In der Familienaufstellung zum Beispiel offenbart sich einem Menschen Wissen über die Gefühle eines anderen Menschen aus einer völlig fremden Familie.

Im Hinduismus gibt es den Begriff der Akasha-Chronik. Ein Feld, in dem alles aufgezeichnet wird, was gedacht, gesagt, geschehen oder sonst wie erlebt wurde - alles. Und zu dieser Akasha-Chronik können wir Zugang bekommen.

C.G. Jung entwickelte das Konzept des kollektiven Unbewussten. Auch hier spielt Wissen eine Rolle, ebenso wie das Eingreifen in diese Welt. Es umfasst Archetypen, überdauernde und kulturunabhängige Formen und Abläufe, die in unserem Leben wirksam werden können.

Auch im Christentum gibt es das Himmelreich, ein weniger gut ausgearbeitetes Konzept, das dennoch eine geistige Welt darstellt, zu der jeder Zugang haben kann. Das Himmelreich ist nah, wie es Jesus sagte. Jesus selbst war ein Verkünder dieser Welt.


Die Entzauberung der Welt

In unserer westlichen Welt haben wir durch ein überzogenes Wissenschaftsverständnis alles aus unserem Leben verbannt, was sich auf eine solche Welt, ein solches Feld bezieht. Dazu haben oft die Oberflächlichkeit kirchlicher Sprache und Verkündigung beigetragen - leider bis heute. Auch die Oberflächlichkeit und naive Vorstellungen aus der Kaufhaus-Esoterik haben ihren Teil dazu beigetragen, was mich oft zum Fremdschämen veranlasst.

Doch wenn Du beginnst, die Welt wieder als eine materielle und geistige Erscheinung wahrzunehmen, dann öffnet sich für Dich der Weg in die Sinnhaftigkeit und in die Bedeutung des Lebens. Dann empfiehlt es sich, in unsere eigene Kulturgeschichte einzutauchen. Die alten Mythen und Märchen, die Geschichten und besonderen Orte - sie alle künden von solch einer Ebene der Wirklichkeit, die ich hier die geistige Ebene oder ein geistiges Feld nenne.

In diesen Schriften können wir unheimlich viel darüber lernen. Doch dies eröffnet sich nur dem, der diese Wirklichkeit auch für sich annimmt. Für alle anderen sind es alte Geschichten, nett anzuhören und vielleicht noch mit einer sinnvollen Moral gespickt, aber nicht mehr als das.

Ich glaube, dass jeder Mensch schon einmal mit diesem geistigen Feld in Kontakt gekommen ist. Es geht um die besonderen Augenblicke im Leben, wo wir plötzlich innehalten und spüren, dass hier jetzt etwas anders ist als sonst. Oder der Sonnenaufgang am Meer oder in den Bergen, der nicht nur eine physische Wirkung auf uns hat. Oder die Liebe eines Menschen, der Zauber einer romantischen Kirche, die man im Sommerurlaub betritt.


Der besondere Augenblick

Solche Augenblicke kennt jeder, wo sich etwas eröffnet, wo wir plötzlich ergriffen sind von etwas, was eben noch nicht da war. Wir werden still, fühlen uns berührt und irgendwie verbunden mit dem, was wir sehen und hören. Genau solche Augenblicke offenbaren uns die geistige Ebene.

Auch ein Gang in die Natur, nicht nur zum bloßen Spazierengehen, sondern zum Innehalten, kann uns in die Fühligkeit des Geistigen bringen. Der Wald ist ein Ort, wo sich die Lebendigkeit besonders stark zeigt - und gewiss auch im Kreißsaal eines Krankenhauses. Spüre die Bäume, betrachte sie nicht nur oberflächlich, sondern entdecke, wie alles zusammenwirkt und zusammengehört. Die Stille des Mittags unter der gleißenden Sonne, die frische Kühle am Morgen, das Schwirren der Mücken.


Sinn aus dem Geistigen

All das kann Dich in die Nähe des Geistigen bringen, und von dort aus empfangen wir Sinn, und von dort aus offenbart sich uns Bedeutung - eine Bedeutung, die wir nicht selbst gemacht haben, sondern die sich uns schenkt. Es geht hier noch gar nicht um Gott, Jesus oder wen auch immer. Es geht um die Tiefe dieser Welt. Wenn Du diese spüren kannst, wenn Du beginnst wieder anzunehmen, dass diese Welt Bedeutung hat und sich durch sie das Geistige, das Göttliche oder kosmische Bewusstsein offenbart, dann betrittst Du einen Raum, der viele Sinnebenen für Dein Leben bereithält. Denn dann erkennst Du, dass auch Du "nur" Ausdruck dieser anderen Wirklichkeit in dieser Welt bist. Sich nur als etwas Physisches zu betrachten, als Körper mit Verstand, wäre so, als wäre eine Beethoven-Symphonie nur die geschickte Anordnung von Noten oder das Glas Rotwein am Abend mit einer Freundin nur gepresster und vergorener Traubensaft.

Es ist mehr, das wissen wir, viel mehr. Und das macht den Unterschied aus.


korrigiertes Transskript


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