Wie Friede entsteht – in der Welt und für dich

28. Oktober 2023

Wie kann Frieden werden? Wir kennen alle die Konflikte, denen wir in jeder Nachrichtensendung begegnen. Wir wissen, wie ausweglos so mancher Konflikt erscheint. Egal, wo man sucht, man findet Schuldige und Opfer. Wie kann hier Frieden werden? Überall finden wir Menschen, die darauf aus sind, Konflikte zu schüren und Kriege zu forcieren. 

Wie kann da Frieden sein? Wir erleben Demonstrationen, die ihrerseits Opfer leugnen und Terroristen positiv betrachten. 

Wie kann da Frieden sein? Wir erleben Armeen, gewaltige Panzer, clevere Drohnen und gefährliche Kampfjäger. 

Wie kann da Frieden werden?

Und wäre das nicht schon genug, so kennen wir alle eigene Probleme, Konflikte und Reibereien. 

Wie kann Frieden entstehen? Darüber möchte ich heute sprechen, und ich werde dir einige Hinweise geben, was du tun kannst. Manchmal geht es einfach um eine etwas andere Sichtweise.


Der ewige Kreislauf

Das große Problem von Angriff und Gegenschlag - egal ob im Großen oder Kleinen - ist der Kreislauf, der entsteht. Bei Kindern kann man das erkennen: Machst du meine Sandburg kaputt, mache ich deine Sandburg kaputt. Das lässt sich natürlich nicht einfach auf größere Konflikte übertragen. Und man hat natürlich das Recht, sich zu verteidigen, ganz klar. Und das ist auch noch einsehbar und einigermaßen beurteilbar, solange man weiß, wer angefangen hat. Doch wenn dieses Wissen verloren gegangen ist oder es einfach schwer ist, das herauszufinden und zu benennen, dann führt das zu einer Kaskade von Gewalt. Um Frieden zu erreichen, braucht es einen geeigneten Augenblick und oft auch geeignete Personen, die diesen Kreislauf anhalten und zumindest mal mit einem Bein aussteigen. Das ist eine wahre Bewusstseinsarbeit. Denn Unfrieden und Krieg haben etwas stark Hypnotisches. Sie sorgen für eine Trance des "Ich habe Recht, und du hast Unrecht. Ich darf dich angreifen." Doch wenn jede Seite so denkt, kommen wir nicht weiter. Wir brauchen ein erweitertes Bewusstsein darüber, dass solche Haltungen nichts bringen. Dabei kann helfen, tiefer in die Frage einzusteigen, warum jemand sich so und nicht anders verhält. Was ist die tiefere Motivation? Was bewegt mein Gegenüber, so zu reagieren? Und nicht zuletzt: Wie steht es um mich, was bewegt mich anzugreifen, mich auf diese Art und Weise zu verteidigen? Dahinter steht die Grundannahme, dass jeder Mensch etwas Gutes will - auch wenn sich das so sehr verschoben hat, dass das Gegenteil daraus geworden ist. Selbst der Mörder ist jemand, der im Kern etwas Gutes will und doch ein Verbrecher wird. Aber am Fuße der Tat steht ein verständlicher Wunsch - die Tat bleibt dennoch dessen ungeachtet ein Verbrechen.

Es geht also darum, auf diesem Weg aus dem Kreislauf auszusteigen. Dafür braucht man Mut, Weitsicht und manchmal leider einen langen Leidensweg, bis man erkennt, so geht es nicht weiter.


Dein gutes Recht

Vor Zeiten las ich erstaunlicherweise gleichzeitig auf verschiedenen Seiten im Netz einen Satz, der in etwa so lautete: "Willst du recht behalten oder Frieden finden?" Das hat mich berührt, und ich musste an eigene Konflikte denken, an Situationen, bei denen es mir ehrlich gesagt vor allem darum ging, Recht zu behalten, der Stärkere zu sein und damit zu gewinnen. Es ist die Frage, was ich wirklich will und was auf Dauer wirklich nützt. Recht zu behalten ist ein trügerischer Genuss, und andere zu besiegen ist nur eine Sekunde lang süß, danach schmeckt man die Bitternis. Wer immer siegt, ist stets allein. Wir sagen stattdessen gerne, der Klügere gibt nach. Aber das gefällt mir nicht. Es geht nicht um das Nachgeben, darum einfach aufzugeben, wenn auch aus Einsicht. Es geht darum zu erkennen, was wirklich hilft und was mich auf Dauer glücklich macht. Wenn du erkennst, dass es der Frieden ist, der dich glücklich macht, dann solltest du alles vermeiden, was den Streit entfacht oder verlängert. Verzichte darauf, immer Recht behalten zu wollen. Es ist okay, sich zu irren, und es ist okay, wenn auch andere mal Recht haben. Glaube mir, wenn du immer Recht behältst, dann wirst du ein einsamer Mensch. Dafür braucht es Weisheit und Souveränität. Wer ein zutiefst verunsicherter Mensch ist, dem wird es schwer fallen, an dieser Stelle einzugestehen, dass es völlig okay ist, sich zu irren, und dass dieser Irrtum nichts über ihn selber aussagt. Narzissten haben es hier besonders schwer - für sie ist jede Niederlage eine Katastrophe, und am besten leugnet man sie.


Ausgleich der Konten

Vor vielen Jahren bin ich den Gedanken des ungarischen Psychotherapeuten Boszormenyi-Nagy begegnet. Er hat Beziehungen untersucht und festgestellt, wie oft es in Beziehungen um Schuld und Guthaben geht. So hat er die Metapher der Konten entwickelt. Nach seiner Vorstellung gründen wir ein Konto, sobald wir jemanden kennenlernen, und eine wie auch immer geartete Beziehung daraus wird. Auf dieses Konto wird eingezahlt und abgehoben. Jeder hat ein eigenes Konto und einen eigenen Kontostand. Wenn ich mir in einer Beziehung etwas "herausnehme", dann sinkt mein Kontostand, und der Kontostand des anderen steigt. Wenn ich aber etwas leiste, was mehr ist als das, was zu erwarten war, dann ist es umgedreht. Das ist natürlich eine sehr nüchterne und finanzielle Vorstellung von Beziehung. Ich will damit auch nicht sagen, dass mit dieser Metapher die ganze Beziehung abgebildet ist. Aber wenn du dich einmal darauf einlässt, wird damit etwas sehr Wichtiges abgebildet und verdeutlicht. Denn auch hier lernen wir wieder etwas über den Frieden und wie wir ihn erreichen können.

Streit entsteht nach dem ungarischen Psychotherapeuten Boszormenyi-Nagyi, wenn die Kontostände in Beziehungen längere Zeit unausgeglichen sind. Wenn sich jemand etwas herausgenommen hat. Das kann sein, dass man ständig unpünktlich ist, die Beziehung nicht mehr pflegt, die Unwahrheit gesagt hat und so weiter. Das führt sofort dazu, dass der eigene Kontostand ins Minus geht. Wenn ich das selbst einsehe und versuche, es wieder gut zu machen, dann passiert in der Regel nichts Schlimmes. Aber wenn ich dann beginne, den Preis meiner Tat zu leugnen oder dem anderen eigene Versäumnisse vorzuhalten, damit die Konten sich wieder angleichen, dann entsteht Streit und im übertragenen Sinne auch Krieg - es ist zumindest möglich. Um im Bild zu bleiben, geht es also darum, darauf zu achten, dass die Konten ausgeglichen sind. Das heißt nicht, dass ich immer etwas schenken muss, weil der andere auch etwas geschenkt hat. Das wird zu einem Automatismus und zu einer Berechnung in der Beziehung, das wird nicht klappen. Es geht einfach darum, diesen Ausgleich im Blick zu behalten und zu erkennen, wenn ein Ungleichgewicht entsteht. Interessant ist übrigens, dass Boszormeny-Nagy festgestellt hat, dass eine Beziehung auch dann in die Krise gerät, wenn ein Teil den anderen mit sehr vielen Gaben überschüttet oder in einem besonderen Maße ver- und umsorgt. Auch das ist eine Unausgeglichenheit, die zu einem Streit führen kann und letztlich zu einem Bruch. Und der Gebende klagt dann die Undankbarkeit an. Aber alles geschieht nur deshalb, weil der andere sein Konto nicht mehr ausgleichen konnte. Es wurde einfach zu viel auf das andere Konto eingezahlt. So entstehen Abhängigkeiten - auch das ist nicht gut.


Die andere Seite

Nun möchte ich noch einen anderen Aspekt unseres Themas aufgreifen, um zu klären, wie wir zu Frieden finden können. Und alles, was ich bisher gesagt habe, kann ohne große Probleme leicht auch auf das Weltgeschehen angewandt werden. Und das gilt auch für das, was ich jetzt sagen werde. Wenn du in einem Unfrieden mit jemandem bist, dann gibt es eine Seite in dir, die immer wieder in diesen Streit einsteigt. Und diese Seite ist sehr interessant und sie solltest du untersuchen. Es ist zumeist eine Seite, die dafür sorgen soll, dass du etwas anderes nicht spürst. In unserem Inneren gibt es Gefühle, die wir fürchten, weil sie uns einmal vielleicht überschwemmt haben und zu viel wurden. Daraufhin haben wir dann eine andere Seite in uns aktiviert, die seither dafür sorgt, dass wir nie wieder dieses Gefühl fühlen müssen. Das können Einsamkeit, Angst, Ohnmacht, Traurigkeit oder Scham sein. Und wenn dann wieder eine Situation naht, die uns dem zu vermeidenden Gefühl näher bringt, dann wird unser innerer Feuerbekämpfer mit aller Macht aktiv, und der Streit kann beginnen. Wenn du diese Dynamik in dir erkennst, dann bist du schon sehr weit. Dann kannst du auch mit viel Mitgefühl den Feuerbekämpfer in dir wie auch das zu vermeidende Gefühl wertschätzen. Damit ist aber der Ausweg schon gebahnt. Die meisten wissen jedoch nichts davon. Sie gehen davon aus, dass das, was ich gerade sage, dass das ich bin. Natürlich bist du das, aber es kommt nicht aus deinem ursprünglichen Selbst, sondern aus einer Teilpersönlichkeit heraus. Sie ist nur ein Teil von dir. In dir gibt es jedoch auch einen Bereich, der umfassend, mitfühlend, klar, neugierig, achtsam und so weiter ist. Das ist das Selbst, und wenn alle anderen inneren Anteile zurücktreten können, dann erstrahlt diese Seite in dir und durch dich hindurch. Dann ist wirklich Frieden möglich. Alles andere sind Vorstellungen, und Vorstellungen verstellen den Weg zu deinem Selbst. Glaube nicht, dass das, was du sagst und bist, immer aus deinem authentischen Ich kommt. Das meiste entsteht aus Schutz, und Schutzmaßnahmen sind in der Regel hochgradig automatisiert und laufen nach einem Protokoll. Mit mehr Bewusstheit kannst du dann erkennen, was wirklich in dir abläuft, und kannst sehen, dass du selber eine Seite in dir hast, die Opfer geworden ist und die jetzt dein Mitgefühl und deine Unterstützung braucht.


Friede Gottes

Und dann kommen wir noch zum Frieden Gottes. Wenn wir mit unserem Selbst verbunden sind, dann ist auch die Verbundenheit mit Gott entstanden - auch wenn du es vielleicht ganz anders formulieren würdest. Du kannst jetzt mutige Schritte gehen, auf dein Recht verzichten und gleichzeitig dein Recht wahren. Du machst dich nicht klein, und andere auch nicht. Und du weißt, dass deine Würde und Würdigkeit von nichts abhängen. Man könnte sagen: Du bist frei. Und in dir ist damit Frieden.


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