Wie seelische Heilung geschieht

14. Oktober 2023

Viele von uns tragen schwere seelische Wunden mit sich herum und leiden darunter. Für viele ist es leider so, dass sie den Zustand fast als normal ansehen. Sie haben in ihrem Leben immer gelitten und meinen daher, dass zu leben sich eben so anfühlt. Doch dem ist nicht so. Ja, das Leben ist voller Herausforderungen und Schmerzen gehören dazu. Aber viele unserer Leiden müssen nicht sein, und du kannst etwas dagegen tun. Gib dich nicht zufrieden mit vorschnellen Antworten und Selbstberuhigungen, sondern gestehe dir ein, dass du Hilfe brauchst.


Mitgefühl - der Beginn

Wer leidet und seelische Schmerzen mit sich herumträgt, dem gebührt zuallererst mein Mitgefühl. Und wenn ich heute darüber spreche, wie seelische Wunden geheilt werden können, dann gehört am Anfang ganz klar das Mitgefühl dazu. Und dieses Mitgefühl sagt, dass es mir leid tut, dass du leiden musst und seelische Schmerzen ertragen musst. Und es tut mir leid, was dir angetan wurde. So etwas hat niemand verdient, wirklich niemand.

Mitgefühl, das mir entgegengebracht wird, öffnet mich für mein eigenes Schicksal und meine eigenen Schmerzen, es hilft mir, mir selbst Mitgefühl entgegenzubringen. Denn oft ist es doch so, dass wir uns selbst für unser inneres Erleben die Schuld geben und uns verurteilen. Aber der erste Schritt ist es, genau hier anzusetzen und deutlich zu bekommen, dass du nicht schuld bist und dass dein Zustand so nicht bleiben muss. Du kannst etwas ändern, und deine Seele braucht jetzt nicht deine Verurteilung, sondern dein Mitgefühl.


Anerkennung des Leids

Und für viele kommt hinzu, dass sie in ihrem Leid anerkannt werden wollen - sie brauchen diese Anerkennung ihres eigenen Leidens. "Ich sehe, dass du leidest und wie sehr du leidest." All das sind Türöffner, notwendige Voraussetzungen für den Weg, der dann beginnt. Er öffnet nicht nur den Weg zur Heilung, sondern auch zu deinem eigenen Inneren. Man beginnt weicher zu werden, vielleicht zu weinen und spürt, dass sich innerlich etwas löst. All das vermögen Mitgefühl und Anerkennung des eigenen Leidens auszulösen.


Das System vergrößern

Aber natürlich beginnt der Weg damit nur, und das allein reicht selten. Das Problem vieler ist dabei, dass sie versuchen, die eigenen Probleme mit immer den gleichen Mitteln zu lösen. Doch Heilung und wirkliche Veränderung geschehen immer dadurch, dass ich mein eigenes System erweitere. Du musst über das hinausgehen, was du bisher als Teil deines Problems und deines Leids erkannt hast. Dabei entsteht die Schwierigkeit, dass wir den Teil, den wir neu in das eigene System integrieren müssen, oft nicht sehen, weil er uns unbewusst ist.

So kann meine Traurigkeit vielleicht daher rühren, dass mein Partner oder meine Partnerin gestorben ist. Doch die Intensität und Länge der Trauer zeigt noch auf etwas anderes hin, auf eine Trauer aus der eigenen Kindheit, die nie verarbeitet wurde. Und genau diese Trauer und dieser Todesfall aus der eigenen Geschichte können zum Schlüssel für den neuen Weg werden, wenn ich sie als neuen Teil meines eigenen Systems integriere und damit zu einem Teil meiner Lebensgeschichte mache.


Suche nach dem verlorenen Gefühl

Und so gibt es immer Teile, die ich nicht sehe und die ich im Laufe meines Lebens sozusagen verloren habe. Diese wiederzufinden ist Teil des Heilungsprozesses. Und dieser Heilungsprozess kann dann nicht nur Auswirkungen auf deine Seele haben und dein inneres Erleben, er kann auch Auswirkungen auf deinen Körper haben. Denn manche seelische Heilung hat auch schon zu einer körperlichen Heilung geführt.

Ich sprach eben von Teilen des eigenen Systems, die im Laufe des Lebens verloren gegangen sind. Wir haben dabei verschiedene Taktiken, die uns helfen, etwas nicht mehr zu sehen. Das Problem ist, dass das, was ich nicht sehen will, immer die Tendenz hat, sich zeigen zu wollen. Wir brauchen daher - und das geschieht unbewusst und nicht absichtsvoll - wir brauchen daher eine Möglichkeit, etwas nicht mehr sehen zu müssen. Das tun wir, weil wir mit einem Schmerz nicht klarkommen. Es ist ein Lösungsversuch, der aber seinen Preis hat.

Projektion

Was wir tun, ist zum Beispiel ganz klassisch zu projizieren. Wir wollen etwas bei uns nicht sehen, sehen es daher einfach bei anderen und werten es ab. Wenn ich Wut nicht spüren möchte, dann kann ich bei anderen immer Wut erkennen und sie dafür verurteilen. Das wäre ein solcher einfacher Mechanismus, der mir hilft, mich von meiner eigenen Wut zu befreien.

Rationalisieren

Andere machen es so und betrachten alles Emotionale nur noch rational. Dann muss man es nämlich nicht spüren. Bleiben wir bei der Wut. Wer rationalisiert, der wird sehr genau beschreiben können, was Wut ist und warum es nicht notwendig ist, wütend zu sein. Das hört sich dann alles sehr vernünftig an. Doch Wut möchte immer gefühlt und nicht rational verstanden werden.

Verschiebung

Noch eine andere Möglichkeit ist es, die Emotion - und es geht immer um Gefühle - also das Gefühl wegzuschieben und es in den Körper zu geben. Dann wird man vielleicht krank, bekommt chronische Schmerzen, und niemand weiß warum, oder es gibt andere körperliche Ausdrucksformen, die verhindern, dass ich die Wut spüre.

Verdrängung

Und ganz klassisch, und eigentlich in allen bisherigen Beispielen enthalten, gibt es noch die Verdrängung. Ich habe dann keine Wut, und ich bin auch nie wütend. Und doch zeigt sich manchmal, wie wütend ich bin, wenn ich nicht aufpasse, und schon werde ich so wütend, dass alle erstaunt und erschrocken sind. Und im nächsten Augenblick ist alles wieder ruhig bei mir.


Wie kann Heilung geschehen? 

Damit Heilung geschieht, muss ich zurückfinden zu meinen Gefühlen. Ich muss nach dem Gefühl suchen, das ich im Laufe meines Lebens verloren habe. Das sind oft: Wut, Ärger, Ohnmacht, Traurigkeit, Trauer. Alles, was mir hilft, mich auf meine Gefühle zu fokussieren, kann mir dabei helfen. Und dabei sind Wege wichtig, die mir helfen, ein klein wenig die Kontrolle abzugeben. Das ist der Grund, warum in der klassischen Psychoanalyse die Patienten auf einer Couch liegen, weil sie dann in einen Entspannungsmodus kommen und so in der Lage sind, Kontrolle besser abzugeben.

Imaginationen, Malen, Träume und alle projektiven Methoden sind dabei hilfreich und können dir helfen, an deine Emotionen heranzukommen.

Schau dir an, bei wem du empfindlich und empört wirst - das sind oft Projektionen von Gefühlen, die du verloren hast.

Schau dir an, mit welcher Figur in einem Film du dich ganz stark identifizierst, und dann schau dir an, wer der Gegenspieler in dem Film zu dieser Figur ist. Das könnte ebenfalls ein verlorenes Gefühl sein, das auf dich wartet.

Oder frage einmal eine gute Freundin oder einen guten Freund, wie sie/er sich eine Person vorstellt, die das genaue Gegenteil von dir ist. So kannst du erfahren, welche Seite in dir noch unterentwickelt ist, und du lernst neue Gefühle kennen.


Das Tor öffnen

Doch zurückzufinden zu Gefühlen, die du verloren hast, das ist nur ein Weg. Viel grundlegender ist folgende Auswirkung auf dein Leben. Denn alle seelischen Wunden, alle Traumata und schlimmen Ereignisse führen dazu, dass du dich selber verlierst und dich von dir selbst entfremdest. Du beginnst fremd im eigenen Leben zu sein, fühlst dich nicht mehr zu Hause, sondern spürst eine Distanz zum Leben. Das ist vielleicht eine der schlimmsten Auswirkungen, die übrigens nicht alle Therapeuten berücksichtigen oder wichtig finden. Man funktioniert gut, geht zur Arbeit, hat seinen Gefühlshaushalt gut reguliert, aber dadurch beginnt man noch nicht zufrieden zu sein und wieder eine innere Heimat zu finden.

Du darfst dir das so vorstellen: Es gibt im Inneren eines jeden Menschen ein Tor, und dieses Tor musst du durchschreiten, um wirklich im Leben anzukommen, um kreativ zu sein, Freude zu erfahren, Sinn, Spiritualität und tiefes Vertrauen. Doch genau dieses Tor ist es, was ein Trauma als erstes verschließt oder zumindest nur einen kleinen Spalt geöffnet hält. Es ist auch dieses Tor, das verschlossen ist, wenn Menschen den Sinn des Lebens nicht erkennen können, wenn man den Eindruck hat, nicht das zu tun, was man tun sollte.

Um es nochmals zu sagen: Es kann sein, dass du nach einer klassischen Therapie wieder funktionsfähig bist und wieder arbeiten kannst, die Dinge des Haushalts erledigst, dich wieder mit Freundinnen triffst. Aber du bist noch nicht zufrieden, du spürst noch dieses Unbehagen am eigenen Leben und an der Welt. Keine Krankenkasse fühlt sich dafür zuständig, und doch kann es sein, dass du darunter leidest. Wie kommt man also wieder zu sich, wie kann ich dieses innere Tor öffnen, das mir Zufriedenheit und Glück schenken kann?

Menschliche Begegnung

Und da gibt es verschiedene Wege. Das Tor öffnet sich, wenn ich Menschen wirklich begegne. Wenn ich einem Menschen gegenübersitze, und dieser Mensch mir mit Mitgefühl, Verständnis und Freundlichkeit begegnet, und zwar so, dass es wirklich so gemeint ist. Dann kann es sein, dass sich das innere Tor öffnet. Man spürt das an dem warmen Gefühl, das sich innerlich breitmacht. Das geht bis dahin, dass einem bei dem Gespräch die Tränen kommen, und man sich einfach verstanden fühlt.

Doch wie gesagt, das muss überzeugend sein, es muss echt sein - kein PC und keine künstliche Intelligenz können das wirklich machen. 

Körperarbeit

Ein anderer Weg, das innere Tor zu öffnen, ist alles, was mit dem Körper zu tun hat. Wenn du zum Beispiel langsame und bewusste Körperbewegungen machst, wie man sie vom Tai Chi kennt oder von Qi Gong, dann kann sich das innere Tor öffnen. Das ist es, was viele nach einer Stunde Yoga erzählen, oder wenn sie einen Kurs im Yoga absolviert haben. Sie erleben es, dass sich durch das Yoga ganz viel im Leben verändert hat. Aber wie soll das gehen, allein dadurch, dass ich den herabschauenden Hund mache, sicherlich nicht. Es liegt daran, dass Yoga ebenfalls das innere Tor öffnen kann, und von dort wachsen mir dann neue Kräfte und Energien zu. Und von dort kommt dann auch das Heilende in mein Leben.

Kreatives Tun

Und es gibt noch einen Weg, wie man versuchen kann, das innere Tor wieder zu öffnen. Alles, was kreativ ist, kann mir helfen. Aber nur dann, wenn ich nicht durch Kunstunterricht oder andere Bewertungsformen den Zugang zur Kreativität völlig verloren habe. Ich biete ja das kontemplative Zeichnen an. Es ist ein Malen mit geschlossenen Augen, weil wir dadurch unseren Bewertungsmechanismus ausschalten können. Und plötzlich kann ich malen, bringe ich etwas auf das Papier. Und das allein schon ist hilfreich und fördert mit jedem Bild die Öffnung des Tores.


Spiritualität

Der Sprung von hier zum Thema Spiritualität ist nicht weit. Denn wirkliche Spiritualität kann nur entstehen und wachsen, wenn dieses innere Tor geöffnet wurde. Von hier geschieht die Begegnung mit meinem wahren Selbst, und es ist diese Seite, die sich für Gott öffnet und sich auf das Göttliche einlassen kann.

Daher ist ein weiterer Weg, das innere Tor zu öffnen, die Meditation. Im Gebet, in der Meditation, in allem, was mich ruhig werden lässt und hilft die Kontrolle abzugeben. Dein Gebet, deine Meditation, sie können dir helfen, dieses Tor zu öffnen und durch es hindurchzugehen. Und dann wirst du zu einer Beschenkten werden, wirst das Leben entspannter erleben können, weil du nicht mehr alles selber machen musst, sondern weil dir etwas aus deinen eigenen Tiefen und aus der spirituellen Welt angereicht wird.


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