Woher deine ständige Unzufriedenheit kommt

3. Februar 2024

Irgendwie scheint alle Welt derzeit völlig unzufrieden zu sein und frustriert. Die Bauern sind unzufrieden, die Letzte Generation ist unzufrieden, die Wirtschaft ist unzufrieden, die Gewerkschaften sind unzufrieden, die Bürger sind unzufrieden. Und ich könnte mühelos meine Aufzählung fortsetzen, und irgendwann wäre es soweit, dass niemand mehr übrig bleibt, der nicht unzufrieden ist. War das immer schon so? Oder fällt es uns derzeit einfach nur mehr auf?

Klar, es gibt immer welche, die nicht zufrieden mit ihrem Leben sind, nicht zufrieden mit dem Job, der Ehe, den Kindern, der Gesundheit, mit sich selbst und so weiter. Das gibt es immer wieder und das war tatsächlich auch immer schon so. Doch derzeit scheint sich eine wirkliche Welle der Unzufriedenheit aufzubauen, die sich durch Protest und provokative Aktionen Gehör verschaffen will.

Nun ist es hier mein Anliegen nicht, über gesellschaftliche Gruppenzugehörigkeiten zu sprechen oder gar über Politik. Ich möchte lieber über die Unzufriedenheit auf einer persönlichen Ebene sprechen. Denn jede und jeder von denen, die sich zu den Unzufriedenen dieser Tage zählen, ist ja auch ganz persönlich unzufrieden. Und das hat jeweils auch eine ganz persönliche Geschichte und einen persönlichen Hintergrund.


Was ist Unzufriedenheit überhaupt? 

Nun, das ist schnell erklärt. Unzufriedenheit ist der Zustand, der entsteht, wenn zwischen Wunsch und Wirklichkeit ein signifikanter Unterschied besteht. Wenn Wunsch und Wirklichkeit übereinstimmen, kann keine Unzufriedenheit entstehen. Es gibt immer diese Lücke, die gefüllt oder überbrückt werden will. Das ist im Kern Unzufriedenheit.

Aber schauen wir auf eine noch tiefere Ebene. Dann übersetzt sich diese Erkenntnis, wie Unzufriedenheit entsteht, so: Dann ist Unzufriedenheit der Zustand, bei dem es einen Konflikt gibt zwischen innerem Selbst und äußerer Wirklichkeit. Nicht alle haben einen lebendigen Zugang zu dem, was man das Selbst nennt. Das Selbst ist kein fester innerer Teil, kein Kern unserer Persönlichkeit, wie man das früher mal gedacht und formuliert hat. Es ist eine innere Qualität, die wir erfahren können. Aber es ist nichts, was man festhalten, mit einem Mikroskop untersuchen oder gar operativ beeinflussen könnte. Wir können den Zustand erleben, den das Selbst bezeichnet, wenn wir beginnen uns von unseren Identifikationen zu lösen. Dann entsteht ein innerer Raum, so erleben das die meisten, der voller Klarheit, Mitgefühl und Stille ist. Und dieser Raum ist bei jedem anders und besonders. Und aus ihm zu leben heißt zu wissen, was gut für mich ist und was richtig ist.

Wenn ich aber nun anders lebe, als ich in mir spüre, wenn ich krass ausgedrückt eine Lüge lebe, die ich mir selbst einrede, dann entsteht eine fortlaufende Unzufriedenheit mit mir und mit allem.

Ich möchte nun noch konkreter werden und vielleicht findest du dich in dem einen oder anderen Bereich wieder. Denn zu verstehen, woher eigentlich deine Unzufriedenheit kommt, kann der erste wichtige Schritt sein, wieder zurückzufinden und inneren Frieden zu erleben. Denn darum geht es ja. Unzufriedenheit ist ein anderes Wort für inneren Krieg - ein Zustand, in dem kein Friede herrscht, das ist Unzufriedenheit. Schauen wir also mal, wie wir das herstellen in unserem Leben.


Unzufriedenheit kann entstehen, wenn ich mein Glück in äußeren Dingen suche. 

Das ist einer der Hauptgründe für Unglücklichsein. Wenn ich mein Glück und meine Zufriedenheit von äußeren Dingen abhängig mache, dann ist mein innerer Frieden sehr fragil. Wenn nur Geld, nur mein Job, nur meine Kinder, nur mein Mann oder meine Frau oder was auch immer mich zufrieden und glücklich machen können, dann mache ich mich abhängig. Nicht, dass es nicht schön ist, einen Menschen an meiner Seite zu wissen oder einen guten Job zu haben. Aber wenn das der wesentliche Aspekt meines Glücks ist, dann wird Unzufriedenheit irgendwann Teil meines Lebens werden. Es braucht ein intrinsisches Glück, ein Glück, das sich nichts anderem verdankt als dem eigenen Spüren und der tiefen Selbsterfahrung, die ich machen kann. Gott kann ein Teil dieser Erfahrung sein. Wenn ich das Göttliche erfahre, erfahre ich es immer ganz persönlich und immer auch ganz in mir.


Unzufriedenheit kann entstehen, wenn ich nicht im Augenblick lebe. 

Das klingt natürlich ein wenig abgedroschen. In welchem Buch wird nicht empfohlen, im Hier und Jetzt zu leben - eine richtige Plattitüde, oder? Aber leider ist es wahr, wir brauchen eine Bezogenheit auf die Gegenwart. Wenn du nämlich dein Glück aus deiner Vergangenheit ziehst oder aus deiner Zukunft, dann besteht die große Gefahr, dass deine Gegenwart dir nicht das gibt oder geben kann, was du brauchst. Es ist schön, gute Erinnerungen zu haben und sich auf etwas zu freuen, was kommen wird. Doch versuche einmal Folgendes: Erinnere dich an etwas Schönes oder denke an etwas Schönes, was kommen wird. Male dir alles ganz stark aus, bis du es richtig spürst, diese Freude und dieses Glück. Und dann lasse alle Bilder los. Spüre nur noch das Glücksgefühl, ohne an gestern oder morgen zu denken. Spüre nur noch das Gefühl des Glücks in deinem Körper. Dann hast du Vergangenheit und Zukunft in deine Gegenwart gebracht.


Unzufriedenheit kann entstehen, wenn ich meinen Lebenssinn und meine Berufung noch nicht gefunden habe. 

Das ist ein Zustand, wo du dich engagierst und arbeitest, aber eigentlich nur, um Geld zu verdienen. Aber du spürst, dass es nicht das Richtige für dich ist. Vielleicht wolltest du deinen Eltern einen Gefallen tun oder du warst in jungen Jahren noch nicht soweit zu erspüren, was wirklich zu dir passt. Manche laufen auch falschen Idealen hinterher und meinen, mit 18 Geld würde glücklich machen. Es ist ohne Zweifel sehr angenehm, ausreichend Geld zur Verfügung zu haben, aber das macht doch noch nicht einen zufriedenen Menschen. Du wirst zufriedener, wenn du Bedeutung findest. Wer Bedeutung findet, wird fast wie von selbst zufriedener.


Unzufriedenheit kann entstehen, wenn du dich gegen Änderungen sträubst. 

Die Welt und das Leben, alles verändert sich fortlaufend. Alle sieben Jahre hat unser Körper alle Zellen ausgetauscht. Wir müssen uns immer wieder anpassen und mit Beeinflussungen leben, die wir selber gar nicht beeinflussen können und wozu wir auch nicht gefragt werden. Die äußeren Dinge sind oft so. Natürlich wäre es schön, wenn wir Einfluss hätten, wenn wir gefragt würden. Aber das werden wir niemals in allen Bereichen. Immer gibt es Aspekte, wo wir mit Entscheidungen anderer leben müssen. Sei dir dessen bewusst und lebe damit. Es geht nicht darum, alles hinzunehmen, aber doch darum, klar zu haben, dass es immer Augenblicke im Leben gibt, wo ich Veränderungen akzeptieren muss, die ich nicht gewollt habe. Es ist einfach so - und du selbst entscheidest auch immer wieder etwas, womit andere leben müssen. Wenn du dir dessen wirklich bewusst bist und Änderungen leichter akzeptieren kannst, dann wird das nicht gleich eine große Sache, die dich aufregt und ärgert. Du kannst damit im Frieden leben.


Unzufriedenheit kann entstehen, wenn ich mich selbst ablehne und mir selbst unfreundlich begegne. 

Wenn ich innerlich mit mir im Krieg liege, wenn ich mich erniedrige, mich beschimpfe, mich unter Druck setze und ablehne, dann kann keine Zufriedenheit entstehen. Niemand ist in einer solchen Situation zufrieden, weil der Krieg selber in dir Einzug gehalten hat. Du bist eingespannt zwischen einem Topdog und einem Underdog, wie Fritz Perls das nannte. Zwischen einem, der immer laut ist und dich klein macht, und dem Teil in dir, der sich klein anfühlt. Doch gibt es ein Drittes, ein Jenseits dieser Polarisation. Und wenn du dieses Jenseits, um es mal so auszudrücken, aufsuchst, dann kannst du dir selber helfen und kommst in den Raum der Zufriedenheit hinein.

Nun lass uns mal schauen, was du denn tun kannst, um endlich wieder zufrieden zu werden. Einige Hinweise hatte ich ja schon genannt und bei einigen Ursachen der Unzufriedenheit ist die Lösung ja auch gleich mitgenannt oder liegt nahe.


Leben in der Gegenwart

Wenn du beginnst, dich wirklich auf die Gegenwart einzulassen, auf das, was jetzt vor dir liegt, was du jetzt spürst, dann hast du größere Chancen zufrieden zu sein. Denn oft rührt die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit aus dem Vergleich zwischen gestern und heute oder zwischen morgen und heute. Wenn du in der Gegenwart bleibst, dann hört dieser Vergleich auf, und du kannst auch in der Gegenwart etwas entdecken, was dich erfreut und sehenswert ist.


Spirituelles Leben

Wenn du dich deinem spirituellen Erleben hingibst - und das kann bedeuten, wenn du dich Gott gegenüber öffnest oder dem Göttlichen in dir Raum schenkst - dann können eine neue Bedeutung und eine neue Bezogenheit in dein Leben treten. Wenn du aus einer Bezogenheit lebst, die nicht an irdische Bedingungen geknüpft ist, dann hast du eine Ressource, die dich dein ganzes Leben lang begleiten kann. Dein Leben mit Gott ist eine Möglichkeit, deinem Leben eine ganz neue Ausrichtung und Stimmigkeit zu geben. Natürlich geht es mir nicht um einen bestimmten Gott, es geht mir um den Gott oder um das Göttliche, wie du es in deinem Bewusstsein erleben kannst. Dem auf die Spur zu kommen kann, davon bin ich fest überzeugt, zum größten Glück deines Lebens werden. Und es ist dabei egal, ob du dich an eine Religion wendest, eine Kirche, einen Guru oder was auch immer. Das bedeutet zunächst gar nichts. Entscheidend ist, was du wahrnimmst, spürst und was du zulässt, dass es in dein Bewusstsein tritt.


Entdecke das Ewige in dir!

Und so komme ich zum nächsten Punkt, was du tun kannst. Der ist eigentlich eine Variante dessen, was ich eben gesagt habe. Nämlich: Du kannst deine Unzufriedenheit auch dadurch angehen, dass du dich auf das Ewige und Bleibende in dir konzentrierst. Wir haben alle die Ewigkeit in uns, etwas Bleibendes, das uns niemals verlässt. Wenn du in dir einmal beginnst zu untersuchen, wo diese Qualität ist und wie sie sich anfühlt, dann bist du auf dem Weg, das Ewige in dir zu entdecken. Es ist in dir, und es ist wirklich dieses Ewige zu spüren, nicht nur darüber nachzudenken. Du musst es spüren, und dann kann es für dich zur Realität in einem Leben werden.

Albert Camus hat einmal folgendes geschrieben und das fasst diesen Punkt in einem schönen Bild zusammen:Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt


Richte dich nicht in deiner Unzufriedenheit ein

Und jetzt noch dies für dich:Richte dich nicht in deiner Unzufriedenheit ein, lass sie nicht zu einem gewohnten und gern gesehenen Mitbewohner deines inneren Hauses werden. Es gibt Aspekte, die man ändern kann, dann tu es. Es gibt Aspekte, die man nicht ändern kann, akzeptiere sie. Zufriedenheit ist nicht an Gesundheit, nicht an Geld und nicht an Schönheit oder was auch immer gebunden. Es macht vieles leichter, ist aber keine zwingende Voraussetzung dafür. Zufriedenheit ist auch eine Entscheidung, die du treffen kannst, eine Entscheidung dafür, immer wieder in deine Zufriedenheit einzukehren und nichts und niemandem zu erlauben, sie dir nehmen zu dürfen. Diese Entscheidung kann die Kraft geben, dich immer wieder neu auszurichten und nicht in eine schleichende Unzufriedenheit zu verfallen, die dich innerlich aushöhlen wird.


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