Diese Zeit ist ein Mistbeet, diese Zeit ist dafür geeignet, Scharlatane, spirituelle Hochstapler und Bauernfänger auf die Bühne zu rufen. Immer, wenn die Gesellschaft in eine Krise kommt, kommen auch sie, die Heilsversprecher, Heilsbringer, die Erlöser und Erlöserinnen, die es immer schon gewusst haben und jetzt erst recht wissen, die den einzigen Weg kennen und ihnen gerne mitgeben, gegen viel Geld versteht sich.
Wir leben in einer Zeit fortdauernder Bedrohung. Der Krieg ist zwar einerseits weit weg, aber wer weiß und schon dräut am Himmel der nächste Krieg in Asien. Es kann also alles noch schlimmer werden.
Dazu die finanziellen Probleme, sodass manche nicht wissen, wie sie ihr Leben in den nächsten Monaten noch finanzieren können.
Den Teufel an die Wand malen
Das sind Augenblicke für apokalyptische Zukunftsvisionen, wo man Bilder an den Himmel zeichnet, die erfüllt sind mit Dunkelheit, Angst und Gefahr.
Und in dieser ganzen Gemengelage kommt noch das Misstrauen der Leitung und Führung gegenüber. Man vertraut nicht mehr denen, die Verantwortung haben, dass sie die Probleme lösen können, dass sie alles im Blick haben und wirklich das Äußerste und Notwendige tun, damit das Schlimmste verhindert wird.
Dass in einer solchen Situation psychische Probleme zunehmen, ist fast ein Naturgesetz. Denn Ausweglosigkeit ist dazu geeignet, dass innere Prozesse in einen Wahn münden, in Panik oder in eine innere Flucht Richtung Alkohol, Depression oder was auch immer.
Genau diese Situation ist es, die spirituelle Gurus auf den Plan ruft und rufen wird. Sie werden einen Weg aufzeigen, wie es weitergeht, sie werden eine Begründung liefern, warum das alles so kommen musste, sie werden Schritte nennen, die Du gehen musst, damit Du als eine der wenigen aus diesem Schlamassel herausfindest.
Nicht alle sind schlecht, aber viele werden es sein, darauf solltest Du gefasst sein.
Und deshalb spreche ich heute über Verblendung und über die Gurus und Meisterinnen unserer Zeit, die, die es meinen zu wissen, die auf alle Fragen eine Antwort haben, alles durchblicken, und einen sicheren Weg aufweisen, der alles löst.
Hüte Dich vor solchen Menschen, hüte Dich vor der Verblendung, davor einem Menschen zu folgen und nichts mehr kritisch zu hinterfragen. Denn die gewieftesten Gurus werden scheinbar gut begründet dafür sorgen, dass Du keine kritischen Fragen mehr stellst, weil Du dann direkt ins Verderben rennst. Sie werden es anders nennen, aber es kommt auf das Gleiche hinaus.
Friede, Freude...
Manchmal sind es Menschen, die alles in einem sehr hellen Licht zeichnen, zumindest ihren eigenen Weg, den sie anbieten. Sie leuchten den Weg, der voller Glorie und Glanz ist. Die Dunkelheit hingegen wird verteufelt, wird abgelehnt und alle, die den glanzvollen Weg nicht mitgehen, gehen den Weg der Dunkelheit. Doch alles Licht kommt immer aus der Dunkelheit, immer. Und nur, wer auch mit der Dunkelheit leben kann, kann Licht in diese Welt bringen. Niemand ist nur Licht, jeder und jede muss mit seiner/ihrer Dunkelheit leben lernen.
Alles nur angelesen
Man kann bei den Blendern und Blenderinnen mit etwas Erfahrung spüren, dass sie von etwas sprechen, von dem sie keine wirkliche Erfahrung haben. Es sind Worte, es sind vielleicht Geschichten, es wird der ein oder die andere berühmte Person zitiert, aber das macht noch keine Lebenserfahrung aus.
Vor allem haben sie den Hang zu polarisieren, das Gute vom Schlechten zu trennen, sodass jede und jeder sich entscheiden muss. Als wäre das eine alleinige Frage der Entscheidung, als könnte man sich ein für alle Mal entscheiden, als wäre es immer so offensichtlich, was gut und was schlecht ist, als würde sich das jetzt Schlechte nicht doch einmal als etwas Gutes herausstellen.
Das aber kommt nicht vor, die Grautöne sind nicht willkommen.
Als ich noch viele Seminare selber besucht hatte, da gab es einen Lackmustest für mich. Dieser Test zeigte mir sofort, wie es um die spirituelle Tiefe und Erfahrung des Seminarleiters oder der Meisterin stand.
Wie hältst Du es mit der Kirche?
Diesen Test konnte ich machen, wenn es um das Thema Kirche ging. Meistens wurde das irgendwann beleuchtet. Denn bei dem Thema Kirche war es sehr leicht, alles darauf zu projizieren, was nicht gewollt war und alle haben schnell und mühelos zugestimmt. Kirche ist ein Versuchsmoment für alle Gurus. Denn es scheint so leicht zu sein, sie zu kritisieren. Und nicht, dass es nicht genug gäbe. Die Kirche macht es einem leicht, Aspekte zu finden, die man ablehnen muss. Aber die Art und Weise, wie manche darüber sprachen, machte deutlich, Du bist kein Guru, der den Frieden gefunden hat, Du bist keiner der non-dual denkt, Du bist niemand, der über allem steht, denn wenn es um die Kirche geht, dann spaltest Du, dann verteufelst Du und bist völlig unausgeglichen.
Das darf man natürlich sein, aber es wird problematisch, wenn man zuvor in seinem Reden etwas anderes von sich und seiner Lehre behauptet hat.
Worauf Du achten solltest:
Achte darauf, ob jemand nur Glanz und Schönheit verspricht. Kein Leben ist nur schön, auch das Leben des Dalai Lamas nicht. Zu jedem Menschenleben gehört der Schmerz. Wer nur Schönheit und Freude verspricht, ist ein Scharlatan.
Achte darauf, ob jemand gezielt versucht, die Wissenschaft einzubeziehen. Es gibt die Wissenschaft als solche gar nicht. Es gibt ohnehin nur Wissenschaften, und derer gibt es viele. Manche Gurus nutzen sehr geschickt Erkenntnisse aus den Wissenschaften und verknüpfen diese mit eigenen Erkenntnissen. So wird der Eindruck vermittelt, als würde sich die ganze eigene Botschaft letztlich wissenschaftlich begründen lassen – auch wenn noch ein paar wenige Erkenntnisse fehlen.
Achte darauf, ob sich jemand als Vorbild und Ideal vorstellt. Auch das geschieht in der Regel nicht direkt, sondern sehr indirekt. Wer ist schon so ideal, dass er sich als Vorbild eignet. Jedes Leben hat eigene Herausforderungen.
Achte darauf, wie jemand über andere Wege spricht. Werden andere Wege rundum abgelehnt oder sind Alternativen zum eigenen Weg erlaubt. Wer angibt, dass nur der eigene Weg der richtige ist, der enttarnt sich selbst als falscher Guru. Es gibt immer viele Wege und viele Weisheiten und nie ist nur ein Weg der Richtige.
Achte darauf, ob jemand schnell Heilung oder Erleuchtung verspricht. Überhaupt sind Versprechen schwierig, weil wir es einfach nicht wissen können, weil das Leben unwillkürlich ist, es entzieht sich unserem Willen und unseren Absichten. Manches kann gelingen und manches nicht. Das weiß jeder Arzt und jede Ärztin. Und Du weißt es vermutlich auch.
Achte darauf, ob jemand etwas anderes lehrt, als er selber lebt. Diese Diskrepanz kann bis zu einem gewissen Grad ganz natürlich sein. Wenn aber die Lücke zu groß ist, dann wird die eigene Lehre problematisch und eine Verblendung. Dann wird Essig gepredigt, aber selber Wein getrunken.
Achte darauf, ob jemand spaltet oder zusammenführt, trennt oder versöhnt, Liebe in diese Welt bringt oder Hass. Dabei ist es dennoch oft notwendig, sich zu positionieren, Klarheiten zu schaffen und auch bestimmte Phänomene abzulehnen. Doch das alles muss in einem sprachlichen Gestus der Verbundenheit geschehen.
Und so achte und schau auch auf mich, auf das, was ich sage. Denk selber, spüre selber nach, überprüfe und nimm nur das an, was Dir plausibel erscheint. Du sollst Deinen Weg gehen und nicht meinen.
Dafür erlaube ich mir, meinen Weg zu gehen und vielleicht irgendwann etwas anderes zu sagen, als ich es heute tue, einfach, weil ich zu einer ganz anderen und neuen Erkenntnis gelangt bin.
Ich gehe nämlich auch meinen Weg. Und nur so können wir eine Zeit lang gemeinsam gehen. Du bist verantwortlich für Dich und ich für mich.
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