Das menschliche Leben ist immer ein Leben an der Grenze und wir kommen immer in Grenzsituationen, die wir - jeder und jede für sich, meistern müssen.
Aus diesen Grenzen werden oft auch Nöte, ja, Krankheiten, das Erkranken an den Grenzen des Lebens.
Diese Grundnöte des Menschen möchte ich Dir heute vorstellen. Insgesamt gibt es drei davon.
Leiden an der Sinnlosigkeit
Die erste Not unseres Lebens bezieht sich auf den Sinn in unserem Leben. Wir sind mit der Frage konfrontiert, warum wir leben, warum wir existieren und auf Erden sind.
Wir Menschen sind vor allem Sinnsucher, suchen danach, dass sich einzelne Teile unseres Lebens, Erfahrungen – insbesondere die schwierigen und beängstigenden Erfahrungen – zu einer Sinnhaftigkeit zusammenfügen lassen. Wir suchen nach Mustern, nach einem Bild, das deutlich macht, dass all meine Lebenserfahrung nicht umsonst war. Es hatte ein Ziel, es strebte etwas an und es sind nicht nur zufällige Ereignisse in einem zufälligen Kosmos.
Wir wollen wissen, wozu wir leben und wir müssen es sogar wissen.
Das ist eine der großen Anfragen an uns, zu der wir Stellung beziehen müssen. Bei keiner der drei Grundnöte helfen uns vorgefasste Meinungen und Antworten, helfen uns Lehrbuchsätze, die schnelle Antworten liefern und uns davor bewahren, selber nachzudenken.
Wir müssen alle suchen und jede und jeder muss selber finden. Und es hat sich gezeigt, dass wir größte Widerstände im Leben, größte Gräueltaten überleben können, wenn wir für uns einen Sinn und ein Ziel erkennen. So erging es zum Beispiel Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie. Er war als Jude im KZ und hatte sich dort immer wieder vorgestellt, wie er vor einer großen Gruppe von Menschen steht und denen von seiner KZ-Erfahrung berichtet. Das hat ihm so viel Kraft gegeben, dass er unbedingt das KZ überleben wollte, damit er davon erzählen kann. Er hat darin einen Sinn gesehen zu leben und zu überleben, indem er sich dieses Bild des Auditoriums immer wieder vorstellte.
Zur Frage nach der Sinnhaftigkeit unseres Lebens gehört auch die Frage nach der eigenen Berufung, nach dem, wohin mein Weg geht. Was ist meine Aufgabe, welches Tun ist mir aufgegeben? Die Antwort, die ich finde, ist zugleich der Sinn meines Lebens, bzw. verhilft mir dazu.
Aber diese Welt, und so ist es bei allen Grundnöten, sie hat versucht, eigene Antworten zu finden. Und die Werbung und das Marketing kennen natürlich diese Grundnöte und versuchen den Menschen etwas anzubieten, was sie ihr Leben als sinnhafter erscheinen lässt.
Der Konsum ist beispielsweise ein Angebot dieser Welt: kaufe und Du bist glücklich. Und Glück ist in diesem Fall dann der Sinn meines Lebens. Der Konsum von immer mehr soll mir helfen, mich besser zu fühlen und mein Leben sinnvoller zu gestalten.
Krasser ist es im Fall von Drogen. Sie können ein Ersatz sein für den Verlust von Sinn, Drogen helfen uns, die nagende Frage, den Zweifel an der eigenen Existenz nicht spüren zu müssen.
Für mich, ich hatte es in einem früheren Video ja schon gesagt, ist der Weg der Liebe eine stimmige und hilfreiche Antwort darauf. Nicht nur die zwischenmenschliche Liebe, die vergeht, wenn ich und andere sterben, sondern die Liebe, die weit darüber hinaus existiert und kein Gegenüber mehr als Voraussetzung braucht. Diese göttliche Liebe, sie ist für mich Sinn meines Lebens.
Leiden an der Einsamkeit
Gehen wir weiter und schauen uns die nächste Grundnot an. Und diese Not betrifft unsere Einsamkeit. Als Mensch sind wir immer einsam. Selbst die innigste Liebe, der hingebungsvollste Sex endet damit, dass man auseinander geht, bestenfalls noch nebeneinander liegt, aber doch jede und jeder für sich. Der Wunsch zu verschmelzen und dadurch nie mehr das Gefühl der Einsamkeit zu kennen, führt in eine Sackgasse, weil es auf Erden nicht möglich ist. Schon als Säugling sind wir aber zugleich auf andere angewiesen. Wir können nicht überleben, wenn wir nicht zu Beginn unseres Lebens versorgt werden – das ist nicht bei allen Lebewesen so.
Und wir benötigen nicht nur etwas zu essen, etwas zu trinken und eine einigermaßen warme Umgebung, wir benötigen die innere Zuwendung anderer Menschen, wir benötigen, dass sie uns mögen, dass sie den Säugling anlächeln.
Zwar werden wir mit der Zeit selbständiger und unabhängiger, aber nie so, dass wir völlig ohne andere Menschen auskommen können. So einsiedlerisch können wir gar nicht leben, dass wir völlig ohne andere auskommen. Das mag eine Zeit so gehen, aber irgendwann kommt der Augenblick, da benötigen wir Hilfe von einem anderen Menschen.
Einsamkeit kann ein sehr nagendes Gefühl sein, etwas, das uns von innen her auffrisst. Man hat erkannt, dass Einsamkeit ein so großes Problem in unserer Gesellschaft ist, dass die Politik jetzt Programme entwickelt, wie man Menschen dabei helfen kann.
Und diese Welt hat eigene Antworten gefunden, damit wir zumindest nicht mehr so stark spüren, wie einsam wir im Grunde sind. Die ganze Unterhaltungsindustrie will uns ja in eine andere Welt verführen, will uns unsere Protagonisten so nahe bringen, dass wir meinen sie richtig gut zu kennen, dass wir sie wie Freunde behandeln und sehen. Und immer dann, wenn Du den Fernseher wieder einschaltest oder den PC hochfährst, dann kommst Du Deiner Protagonistin näher und kannst eine weitere Episode aus ihrem Leben sehen. Und schon fühlt man sich ein wenig weniger einsam.
Aber das ist natürlich nur eine Betäubung, weil es diese Protagonistin ja gar nicht gibt, sie mich nicht kennt und in dem Augenblick aus meinem Leben verschwindet, wenn ich ins andere Programm wechsle oder die Abschlussmelodie erklingt.
Für mich stellt sich spirituell aber eine andere Frage. Wie sehr ist es mir möglich, das Göttliche in mich hinein zu lassen, in mein Leben hinein. Wie sehr kann ich mich dem öffnen. Aus guten Gründen, aus Verletzungen und Kränkungen sind viele nicht mehr in der Lage, sich einem anderen Menschen gegenüber zu öffnen und das hat sofort auch Auswirkungen auf die Beziehung zum Göttlichen in meinem Leben. Hier sehe ich meinen Weg. Ich will Gott nahe sein, ich will, dass mein ganzer Körper und mein ganzes Leben von Gott durchwebt sind. Ich will, dass alle Bereiche meines Lebens göttlich werden, von Gott durchwaltet. In dieser tiefen Verbundenheit kann ich auch alleine sein.
Leiden an der Vergänglichkeit
Und nun die dritte Grundnot. Sie betrifft das Leben selber und vor allem sein Ende. Es ist die Frage oder besser gesagt die Anfrage, die die Vergänglichkeit unseres Lebens an uns stellt. Wir alle werden sterben, unser Leben vergeht. Irgendwann spürt man, dass man älter wird. Die Haut wird faltiger, die Haare werden weniger, die Kraft lässt nach, manche Bewegung wird schwieriger. Alles Anzeichen dafür, dass wir der eigenen Vernichtung unweigerlich entgegengehen.
Diese Vorstellung kann zu einem Horror werden, kann in Panik versetzen, kann Ängste schüren und mich in den mühsamen und vergeblichen Kampf gegen das Altern und den Tod treiben.
Der Gedanke, dass wir vernichtet werden, ist unerträglich. Alles in uns strebt danach, zu leben und länger zu leben, wir haben die Sehnsucht nach Ewigkeit in uns. Das macht vermutlich auch die Idee der Reinkarnation so attraktiv.
Und diese Welt versucht natürlich auch bei dieser Not uns etwas Weltliches anzubieten. Sterbende Kinder wünschen sich manchmal, dass möglichst viele Menschen ihnen schreiben, damit sie ins Guinness Buch der Rekorde kommen, oder es wird die Asche eines Verstorbenen zu einem Diamanten gepresst. Das sind Pseudoformen von Ewigkeit, die entstehen, wenn wir keine Verbindung mehr mit dem haben, was wirklich ewig ist.
Zu den weltlichen Antworten und Angeboten gehören natürlich alle Mittel und Wege, die das Altern aufhalten sollen, die unser Leben verlängern werden und die uns einer Verjüngungskur unterziehen.
Keine Frage, es ist gut, etwas für sich zu tun, fit zu bleiben und auf sich zu achten. Das Problem entsteht erst, wenn man mit solchen Mitteln und Wegen die existenzielle Antwort versucht zu geben oder versucht, ihr auszuweichen.
Jede und jeder wird ein Verhältnis zur eigenen Vernichtung entwickeln müssen.
Für mich gehört dazu, dass ich meine eigene Göttlichkeit immer stärker begreifen möchte und das tiefer verstehen will. Wenn mir klarer wird, dass ich aus Gott stamme, Teil Gottes bin, dann kann ich auch verstehen, dass ich nicht sterben werde. Es gibt eine irdische Vernichtung, aber keine Vernichtung im Geist.
Wir kehren nach unserem Tod wieder ganz in Gott ein, das ist mein Bild für das Ende meines irdischen Lebens.