Existiert Gott eigentlich?
Oder anders gefragt: Wenn es Gott gibt, wer hat dann Gott erschaffen?
Wenn alles einen Ursprung hat, wenn alles jemandem oder etwas seine Existenz verdankt — gilt das dann nicht auch für Gott?
Diese Frage begegnet dir vielleicht im Gespräch mit anderen. Und vielleicht stellst du sie dir selbst. Sie ist philosophisch, sie ist herausfordernd, und sie führt uns in die Tiefe unseres eigenen spirituellen Verständnisses. Wir können Gott nicht „verstehen“ — das ist unmöglich. Aber wir können unsere Spiritualität verstehen. Wir können verstehen, warum wir glauben und worauf sich dieser Glaube stützt.
Darum möchte ich dich heute mitnehmen in dieses Nachdenken über eine Frage, die so schlicht beginnt und so tief führt:
Wer hat Gott erschaffen?
Und damit verbunden: Existiert Gott überhaupt?
Bevor wir die Frage stellen: Was ist Gott überhaupt?
Du findest viele Worte für Gott: Liebe, Barmherzigkeit, Mitgefühl. Aber bevor wir fragen, wer Gott erschaffen hat, müssen wir klären, was wir eigentlich meinen, wenn wir „Gott“ sagen.
Schau dich einmal um: Alles in dieser Welt hat einen Ursprung.
Der Kugelschreiber auf meinem Schreibtisch wurde produziert.
Ich wurde gezeugt und bin zur Welt gekommen.
Alles hat Voraussetzungen, damit es sein kann. Alles.
Und jetzt frage dich: Gilt das für Gott auch?
Die grundlegende Definition von Gott sagt:
Gott braucht keine Voraussetzung, um zu sein.
Gott ist nicht erschaffen worden. Wenn er erschaffen worden wäre, wäre er nicht Gott. Dann würden wir sofort fragen: Wer hat den erschaffen, der Gott erschaffen hat? Und wer wiederum hat diesen erschaffen? Und so weiter — eine endlose Kette, die völlig absurd wird.
Gott ist voraussetzungslos.
Das ist der erste entscheidende Punkt.
Gott ist die Voraussetzung von allem
Während alles andere einen Ursprung hat, ist Gott selbst der Ursprung.
Der Seinsgrund, wie die Mystik sagt. Der Urgrund, wie Meister Eckhart es ausdrückt.
Alles verdankt sich Gott.
Nicht nur ich, nicht nur du — alles.
Meine Eltern sind der Seinsgrund meiner Existenz, aber nicht der Seinsgrund von allem.
Gott dagegen ist der Grund jeden Seins.
Darum sage ich: Gott existiert nicht.
Warum Gott „nicht existiert“
Natürlich gibt es Gott.
Aber Gott existiert nicht in dieser Form.
Wir existieren.
Die Blumen existieren.
Die Kamera existiert.
Der Teppich existiert.
Die Welt existiert.
Aber Gott gehört nicht einfach als „einer unter vielen“ in diese Reihe.
Er ist nicht Teil der Dinglichkeit. Er ist nicht ein Objekt neben anderen.
Er ist die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt Dinge geben kann.
Gott existiert nicht — er „seint“.
Oder anders gesagt: Gott wä.
Gott ist Sein selbst. Das reine Sein.
Wenn du versuchst, Gott wie eines der Dinge dieser Welt zu behandeln — als etwas, das man anfassen, einordnen oder vergleichen kann — verlierst du aus dem Blick, wer Gott wirklich ist.
Und was tut Gott dann?
Vielleicht fragst du dich:
„Wenn Gott nicht existiert wie wir — was macht Gott dann? Was ist Gott dann?“
Gott ist Sein in reinster Form. Und das bedeutet:
Gottes Wesen ist Liebe.
Und diese Liebe ist, wie Gott selbst, voraussetzungslos.
Ohne Bedingungen.
Ohne Einschränkungen.
Frag dich einmal:
Was wäre das für eine göttliche Liebe, wenn du erst etwas tun müsstest, um geliebt zu werden?
Wenn Gott erst warten müsste, dass du brav bist, korrekt glaubst oder in die Kirche gehst?
Genau. Es wäre keine göttliche Liebe mehr.
Gottes Liebe hängt nicht an deinem Verhalten. Nicht an deiner Heiligkeit. Nicht an deiner Nettigkeit.
Du kannst sie nicht verlieren.
Du kannst sie nicht verhindern.
Du kannst sie nicht verdienen.
Die einzige Voraussetzung dafür, dass Gott dich liebt, ist:
dass du bist.
Gottes Liebe unterscheidet nicht
Diese Liebe trifft den Verbrecher genauso wie Mutter Teresa.
Sie trifft den Folterer in den Kellern von Syrien genauso wie den heiligsten Menschen.
Nicht, weil beide gleich leben — sondern weil Gottes Liebe nicht daran gebunden ist, wie jemand lebt.
Und wenn du dich fragst, wie weit diese Liebe geht:
Sie geht so weit, dass du Gott selbst töten kannst.
Das ist genau das, was im Leben Jesu sichtbar wurde:
Der Mensch tötet Gott — und Gottes Liebe bricht nicht ab.
Keine Strafe. Kein kosmischer Zorn. Kein Weltuntergang.
Nur Liebe, die bleibt.
Gott ist nicht erschaffen — Gott erschafft
Wenn Gott erschaffen worden wäre, wäre er nicht Gott.
Wenn er eine Voraussetzung bräuchte, wäre er nicht der Urgrund.
Gott ist pures Sein.
Die Quelle, aus der alles hervorgeht.
Die Kraft, die dich ins Leben entlassen hat.
Der Grund, warum du bist, warum ich bin, warum es überhaupt etwas gibt.
Und darum existiert Gott nicht — er ist.
Und wir verdanken uns ihm zutiefst.

