Ich glaube, es war C. G. Jung, der gesagt haben soll: "Die Reife einer Persönlichkeit kann man daran erkennen, ob jemand ein Geheimnis für sich behalten kann." An diesem Satz ist sicherlich einiges dran. Denn wer alles ausplaudern muss, wer sich gerne mit dem Weitergeben von Geheimnissen und mit Indiskretionen Aufmerksamkeit und Freude schaffen will, der hat tatsächlich noch etwas an Reife nachzuholen.
Doch ich glaube, dass man Jungs Satz auch auf andere Merkmale umformulieren kann. Ich schlage diesen Satz vor: "Man kann die Reife einer Persönlichkeit daran erkennen, wie mit eigenen Fehlern umgegangen wird." Und da gibt es verschiedene Szenarien, die man erleben kann. Es gibt diejenigen, die alles bagatellisieren. Ist doch alles gut, was soll's? Du hast ja auch neulich diesen einen Fehler begangen.
Dann gibt es die anderen, die sich am liebsten selbst durch den Fleischwolf drehen würden: "Wie konnte ich nur? Ich bin so unmöglich, so miserabel und schaffe nur Mist und Müll." Auch diese Art, mit eigenen Fehlern und mit Schuld umzugehen, führt nicht weiter und ist kein Zeichen von Reife. Aber man muss es sagen: Sie ist die häufigste Form – ich kenne sie auch. Man hat etwas fallen lassen, zu viel gegessen, eine Verabredung verpasst, vergessen, etwas vom Einkauf mitzubringen, hat etwas gesagt, was man besser hätte für sich behalten sollen. Ach, es gibt so viele Möglichkeiten, sich selbst anzuklagen und zum Schafott zu führen.
Die reifste Form, mit Fehlern umzugehen, ist, so finde ich, Fehler weder zu ignorieren noch sie zu unserem Feind zu machen. Fehler sind da, und alles, was da ist, darf ich willkommen heißen. Das heißt nicht, dass es gut war, aber es darf da sein, es darf existieren. Ich mache Fehler nicht zu meinem Feind, sondern arbeite stattdessen mit ihnen. Fehler sind der Stoff, um zu wachsen, sich besser zu verstehen und weiterzukommen.
Selbstmitgefühl ist sicherlich wichtig und eine gute Grundlage, aber dabei sollte es auch wiederum nicht bestehen bleiben, weil es ansonsten zu einer Bagatellisierung führt.
Ich finde es nämlich nicht lustig, wenn man immer wieder eine Verabredung mit mir vergisst. Das kann mal vorkommen; wenn es aber immer wieder vorkommt und mein Gegenüber vor lauter Selbstmitgefühl sich einfach nur gut fühlt, dann spüre ich nicht, dass mein Anliegen ernst genommen wird.
Auf der anderen Seite ist Selbstzerfleischung genauso unangenehm und unangebracht.
Nutze also deine Fehler; sie sind Angebote deines Lebens, um zu wachsen und dir zu zeigen, wo du noch Potenzial hast. Arbeite mit ihnen, mache sie nicht zu deinen Feinden.
Text aus meinem wöchentlichen YouLetter
Danke lieber David, mit Deiner Mitteilung hast du genau Recht. Spitze. Lieben Gruß Ute
Mein Bestreben ist, Fehler als Erlebnisse zu sehen, aus denen ich versuche Erkenntnisse abzuleiten und damit Erfahrungen zu begründen, was nicht immer gelingt aber mir trotzdem viel Freude macht.