Wir sind mitten in einer Krise und die nächste ist vermutlich schon im Anflug.
Wie sollen wir das alles schaffen?
Wie können wir durch all das hindurchgehen, was noch auf uns zukommt ?
Darüber hat sich auch die Psychologie Gedanken gemacht und fleißig Resilienzforschung betrieben. Sie hat also untersucht, welche Faktoren die Widerstandskraft in Krisen stärken. Ich möchte heute nicht auf die gewohnten sieben Aspekte eingehen, die Du überall lesen kannst.
Vielmehr möchte ich Dir einige Grundhaltungen zeigen, die in den herkömmlichen Büchern nicht stehen, aber einen wirklichen Unterschied machen. Und am Ende möchte ich noch auf die spirituelle Ebene in unserem Leben eingehen, weil sie einen entscheidenden Einfluss hat, aber meistens ignoriert wird.
Wir sind noch mitten in der Pandemie und eigentlich sind wir ja auch schon in der Klimakrise, ein Krieg droht momentan im östlichen Teil Europas, es gibt eine Krise der Artenvielfalt, eine Kirchenkrise, eine Gesellschaftskrise… und ich könnte weiter fortfahren. Wir definieren uns über Krisen.
Und ständig werden uns im Fernsehen, Radio und im Netz Krisen gezeigt. Warum? Weil sie wie die Krimis sind: Sie erzeugen Spannung und verkaufen sich deshalb gut.
Aber wie sollen wir in einer ständigen Spannung leben? Wie können wir unser Leben gestalten, zufrieden und glücklich werden, wenn wir immer von einer Krise in die nächste gehen?
Ich möchte Dir heute einige wichtige Hinweise und Übungen zeigen, was Du aktiv tun kannst, um in dieser Zeit zu leben. Sie machen einen wirklichen Unterschied und sind weit von der Empfehlung entfernt, einfach positiver zu denken. Denn das allein wird nicht reichen.
Lebe in Deinem Leben nicht nach Zielen sondern nach Werten
Die meisten Menschen richten ihr Leben nach Zielen aus, wenn sie es überhaupt ausrichten. Da sind der Urlaub in diesem Jahr, der runde Geburtstag, die Beförderung, Pensionierung, die Geburt des Kindes, die Gehaltserhöhung, der neue Job, der Umzug.
Und doch, richte Dein Leben nicht nach Zielen aus, sondern nach Werten.
Natürlich braucht es manchmal Ziele. Aber Ziele sind nur Konkretisierungen von Werten, die wir leben. Es ist viel besser, wenn Du Dein Leben nach Werten ausrichtest und dann dadurch eigene Ziele formulierst.
Wenn Du Dein Leben nach Zielen ausrichtest, dann wirst du vielleicht ins Schlingern geraten, wenn Du ein Ziel nicht ganz oder gar nicht erreichst. Oft sind es ja Krisen, wenn ich nicht an meinem Ziel ankomme. Und dann beginnen die Trauer, der Ärger und vielleicht sogar die Wut darüber. Bei Zielen gibt es nur erreicht oder nicht erreicht.
Wenn Du aber Dein Leben nach Werten ausrichtest, dann kann es natürlich genauso gut sein, dass Du Ziele nicht erreichst. Werte aber sind flexibel, Du kannst neue Ziele formulieren, um Deinen Wert zu leben.
Werte zu leben endet nicht, es ist ein lebenslanger Prozess, der immer wieder angepasst werden muss.
Und Werte sind nicht nur eine Kopfgeburt oder eine Feststellung.
Werte sind Energie. Wenn ich meine Werte lebe, hinter denen ich stehe, dann kommt mir eine Energie zu, die mir hilft, weiter zu gehen und mich stark zu fühlen.
Mit dem Leben von Werten stärkst Du Dich selber.
Also, welche Werte möchtest Du in Deinem Leben verwirklichen, was ist wirklich zentral für Dich?
Und wenn Du Dich jetzt auf den Weg machst danach zu suchen, dann denke bitte nicht nur viel darüber nach.
Die für Dich stimmigen Werte, sind nicht durch Gedanken, sondern nur durch das Spüren zu finden. Du wirst es spüren, wenn Du Deinen Wert gefunden hast. Es ist dieses Kribbeln in der Brust oder im Bauch, was Dir anzeigt, hier ist ein Wert, der mir wichtig ist. Das ist die Energie, die der Wert für Dich bereithält.
Bleibe im Augenblick
In der Gegenwärtigkeit zu sein und zu bleiben gehört mit zu den Aufgaben im kontemplativen Leben. Es stärkt uns nicht, wenn wir über das Gestern nachdenken oder über das Morgen grübeln. Wir kämpfen dann heute schon den Kampf für morgen oder sind noch in der Krise von gestern.
Was aber ist jetzt? Handeln kann ich immer nur in der Gegenwart, in diesem Augenblick.
Und leben kann ich auch immer nur jetzt, in diesem Augenblick.
Alles andere sind Gedanken, Erinnerungen, mehr nicht.
Es ist der Versuch Kontrolle zu bekommen über meine Zukunft oder meine Vergangenheit. Aber die gibt es nicht.
Deshalb ist es so wichtig, dass Du lernst, in diesem Augenblick zu sein. Und das lernt man am besten nicht in den großen Krisen des Lebens, sondern das lernt man, wenn man einigermaßen entspannt ist. Es ist, das möchte ich gleich sagen, ein lebenslanger Lernprozess. Aber er lohnt sich, weil Du dann für den Augenblick mehr Energie zur Verfügung hast, präsenter bist und damit jetzt handeln kannst.
Und dazu gehört dann der dritte Aspekt
Akzeptiere, was Du gerade spürst und denkst
Das heißt nicht, dass Du in Deinen Gedanken und Gefühlen untergehen sollst, ganz im Gegenteil.
Es geht darum, dass Du Deine Gefühle weder unterdrückt noch darin einsteigst. Sie besuchen Dich, mehr nicht.
Mache Deine Gefühle und Gedanken nicht zu Deinem Eigentum, steige nicht ein in den Zug, sondern beobachte, wie er einfährt, anhält und dann auch wieder abfährt.
Wenn Du einsteigst, dann bist Du drin und die Gefühle haben Dich.
Du sollst auch nicht verhindern, dass die Gefühle kommen.
Viele verstehen diese Übung falsch. Aus dem Bedürfnis nach innerer Ruhe wird versucht, störende Gefühle erst gar nicht entstehen zu lassen. Aber das ist kein guter Weg, er führt in die Ausgrenzung und Verdrängung.
Gefühle haben den Wunsch aufzutauchen, wahrgenommen zu werden und dann auch wieder zu verschwinden. Wenn sie nicht auftauchen können, können sie auch nicht verschwinden.
Sage Dir zum Beispiel bei einem störenden Gefühl von Angst: Mich besucht das Gefühl Angst. Oder: Ich merke, dass das Gefühl Angst mich besuchen möchte.
Dann sei eine gute Gastgeberin, ein guter Gastgeber. Empfange die Angst und lasse sie auch wieder gehen. Gast ist man nur, wenn man auch wieder geht.
So kannst Du Dich nachhaltig stabilisieren und für eine deutlich bessere innere Stimmung sorgen.
Wurzeln im Urgrund
Und nun möchte ich noch einen Aspekt ergänzen, der mir sehr wichtig ist und die herkömmlichen psychologischen Konzepte erweitert:
Ein Baum, der keine Wurzeln hat, der wird beim nächsten Sturm umkommen. Aber ein Baum, der seine Wurzeln tief ins Erdreich getrieben hat, der wird dem Sturm etwas nachgeben können aber standhaft bleiben.
Und diese kleine Metapher macht deutlich, wie wichtig es ist, Wurzeln zu haben.
Und das heißt: Zugang zu Deiner eigenen Tiefe haben, dem inneren Erdreich sozusagen, dem Urgrund.
Treibe dort hinein Deine Wurzeln und spüre das Grundwasser des Lebens, das Dich erreichen will und von Gott kommt.
Wer in der Tiefe verankert ist, der wird eine tiefe Sinnhaftigkeit in allem sehen können, der weiß sich getragen und genährt von Gott.
Dieser Urgrund ist es, der uns letztlich durch das Unannehmbare trägt, selbst in schwierigsten Situationen den Kopf behalten lässt und einen inneren Trost spendet, wenn Trauer uns überflutet.
Wie kann mir das gelingen?
Immer gehört der Körper dazu, also gute Körperübungen, oder auch einfaches Laufen oder gehen. Der Körper ist eine wichtige Brücke dahin.
Alles, was Dich in ein tiefes und stilles Spüren führt. Musik vielleicht, ein Bild, eine Geste, ein Ritual.
Meditation natürlich, Kreativität und da denke ich vor allem an das kontemplative Zeichnen, wie ich es anbiete. Das einfache Zeichnen von Formen, das mich in die Erfahrung führt, das hinter die oberflächlich betrachteten Form führt. Es geht immer darum, den Hintergrund zu spüren und nicht das, was im Vordergrund ist.
Kurz: Die Tiefe zeigt sich, wo ich das herkömmliche Wollen und Bestimmen aufgeben kann und mich einlasse auf etwas, das mich führt und durch mich sich zeigen will.
Ich möchte Dich anregen zu überlegen, was Deine Resilienz ansonsten stärkt. was hast Du als hilfreich und förderlich erlebt?
Ich freue mich auf Deinen Kommentar und wünsche Dir starke Wurzeln für Deine Zukunft.
korrigiertes Transskript