Zurück zu sich selber finden

7. Mai 2022

Was hat Zärtlichkeit mit Gott zu tun oder mit unserem Leben? Darüber spreche ich heute, weil es die Lösung für ein Problem ist, auf das Meister Eckhart in einem Zitat aufmerksam macht.Lass Dich also heute mitnehmen in ein neues Leben, das aus Zärtlichkeit geboren wird.

 

Mit diesem Beitrag beginne ich eine neue Reihe. Und zwar möchte ich Dir in der nächsten Zeit verschiedene Zitate von Meister Eckhart vorstellen. Ich möchte diese Zitate betrachten und Dir helfen, den Tiefengehalt zu verstehen, der sich in dem jeweiligen Zitat ausdrückt. Dabei erlaube ich mir genau so vorzugehen, wie es Meister Eckhart auch getan hat. Meister Eckhart hat gepredigt und das heißt, er hat sich auf einen Evangeliumstext bezogen. Meistens hat er nur zwei oder drei Worte genommen und hat daraus dann einen ganzen Kosmos geschaffen. Er hat sich die Freiheit genommen, sehr frei und sehr weit zu gehen. Und so möchte ich es auch machen.

Und unser heutiges Zitat von Meister Eckhart lautet:


“Gott ist in uns daheim –
wir sind in der Fremde.”


Zwei Fragen kommen mir, wenn ich dieses Zitat lese und diesen zwei Fragen möchte ich jetzt folgen.


Wann sind wir in der Fremde?

Fremd sein hat sehr unterschiedliche Bedeutungen und Bedeutungsebenen. Ich kann fremd sein, wenn ich eine andere Herkunft habe, wenn ich eine andere Zugehörigkeit habe. So fühlen sich vielleicht manche Asylsuchenden und Flüchtlinge in Deutschland fremd. Sie kennen unsere Bräuche nicht ganz genau, verstehen unsere Sprache größtenteils nicht. Sie wissen nicht, wie das hier funktioniert, wie das geht, wie man hier Anträge stellt, wie man über die Straße geht, wann man hält und wann man geht. Alle solche Dinge sind diesen Menschen zunächst erst einmal fremd. Sie sind Fremde in diesem Land. Erst mit der Zeit, wenn sie lernen, wie Deutschland funktioniert, machen sie sich dieses Land vertraut und die Menschen werden ihnen in der Umgebung in der sie leben, vertrauter. Fremdsein im Verständnis unseres Zitates kann bedeuten, dass ich in einer Unvertrautheit lebe. 

Dass ich lebe und alles um mich herum wird wie fremd, unvertraut, unverbunden. Ich sehe zwar, was um mich herum passiert, ich sehe die Wände, ich sehe das Fenster aus dem ich gerade schaue. Iich sehe das gegenüberliegende Haus, den Baum sehe ich auch und die Wolken am Himmel sehe ich auch. 

Aber das alles ist mir nicht vertraut, das alles ist mir fremd und bleibt mir auch fremd, weil ich gar keinen Bezug dazu habe, was um mich herum passiert und geschieht. Dann lebe ich zwar in dem Rahmen, den ich eigentlich kenne und der mir auch gewohnt sein müsste, in dem Rahmen, in dem ich schon seit Jahren wohne. 

Aber ich lebe trotzdem in der Fremde, weil ich zu all dem keinen Bezug habe, weil mir all das fremd geblieben ist, weil ich keinen Kontakt dazu bekommen habe, weil das zwar da ist und vor meinen Augen ist, aber es hat nichts mit mir zu tun. Ich sehe mich in den anderen Dingen nicht und ich sehe gar nichts in den anderen Dingen. Das heißt es, in der Fremde zu sein.

In der Fremde zu sein kann auch heißen, dass nicht anderes mir fremd ist, sondern dass ich mir selbst fremd geworden bin. Ich habe mich von mir selbst entfremdet. Und das kann schon sehr früh in meinem Leben begonnen haben. Denn wenn ich nie gelernt habe, auf mich zu hören, mich zu spüren, wenn ich nie gelernt habe, einen Bezug zu mir selbst herzustellen und meinen inneren Impulsen zu vertrauen, meiner inneren Wahrnehmung, dann glaube ich äußeren Stimmen mehr als meiner eigenen. 

Dann tue ich etwas, obwohl ich es gar nicht will, weil ich nicht gelernt habe zu spüren, dass ich es nicht will. Und entfremde ich mich von mir selber. Es entsteht eine Distanz zu mir selbst. Ich bin mir selbst zu einem Fremden geworden. Ich stehe vor dem Spiegel und frage das Gesicht darin: Wer bist du eigentlich in meinem Leben, was machst Du da in meinem Leben, was soll das?

Auch das ist eine Form, in der Fremde zu sein, in der Entfremdung. 

Und ich möchte noch einen Aspekt hinzufügen, der auch dazu gehört. Denn in der Fremde zu sein und zu leben kann auch entstehen, wenn ich so in mir lebe und so abgekapselt bin im Inneren meiner selbst, dass ich in mir selber in der Fremde bin. Dann hat niemand mehr Zugang zu mir, denn ich habe keinen Zugang mehr zu mir selbst. Dann reagiere ich mechanisch auf Fragen, die mir gestellt werden, ich vollziehe hier das Leben, so wie man es von mir erwartet, ganz normal, gehe zur Arbeit, esse das Frühstück und ich gehe in die Kantine. 

Aber es passiert im Grunde gar nichts, weil ich so in mir abgekapselt bin, auf ein paar Quadratmeter oder Kubikmeter Leben reduziert und zusammengepresst bin, dass ich dort im Exil bin. Und das Exil ist ein anderes Wort für Fremde. Ich bin dann im eigenen inneren Exil. Und dann verstummt das Leben. Es wird stumpf, unlebendig, ohne Esprit, ohne schöpferische Impulse, es ist einfach nur noch Mechanik. Auch das ist ein Weg, um in der Fremde zu sein.

An irgendeinem Punkt der Entfremdung leben wir, irgendeinem Raum entfremdeten Daseins. Entfremdung hat immer etwas damit zu tun, dass mir ein Kontakt fehlt, dass der Bezugsrahmen fehlt. und dort leben wir. Und das tun wir, auch wenn wir keine Flüchtlinge sind und im Exil leben. 

Wir tun es, weil wir das Leben oft gar nicht ertragen können, weil es zu viel ist, zu groß und weil es manchmal zu schmerzhaft ist in dieser Welt zu leben. So wie die Welt ist, ist die Entfremdung wie ein Ausweg. Doch die Entfremdung führt dazu, dass ich auf Dauer fragmentiere. 

Die Dinge zergliedern sich, haben untereinander keinen Kontakt mehr, jeder und jedes geht seinen eigenen Weg, folgt eigenen Wünschen und Zielen. Und ich kriege die Dinge nicht mehr zueinander zusammen, ich zerfalle innerlich. Und dann gilt es wieder in Kontakt zu kommen.


Und so komme ich zu der zweiten Frage: 

Wie können wir aus der Fremde in die Vertrautheit heimfinden?

In der Gestalttherapie spielt Kontakt eine zentrale Rolle. Weil es immer darum geht, mit den Dingen in Kontakt zu sein und zu kommen und der Abbruch von Kontakt und die Weigerung in Kontakt zu gehen, werden als ein Grund für eine Pathologie verstanden, also ein Grund für eine psychische Krankheit oder Störung. Aus dem Kontakt mit den Dingen um mich herum und in mir entsteht Leben. Und so beginnen wir wieder zu berühren, auch mit den Augen zu berühren, mit den Ohren zu berühren, mit den Händen zu berühren, mit dem inneren Spüren zu berühren, um mit den Dingen um mich herum und in mir in den Kontakt zu kommen. Und zu erkennen, wie alles zusammengehört und wie ich mit allem in Beziehung lebe. Mit dem Haus gegenüber, dem Baum, dem Fenster, dem Buch und mit all den Dingen, die in mir sind.

Und das ist dann auch der Weg, wie ich wieder nach Hause finden kann. Indem ich in diese Berührung wieder einsteige, indem ich durch zärtliches Hören und Schauen wieder Beziehung aufbauen kann zu dem, was mich umgibt, was meinen Alltag ausmacht. Und indem ich in den Dingen zu Hause bin, die mich umgeben, indem ich in meinem Körper zu Hause bin und er nicht irgendetwas ist, was man mir mitgegeben hat für die Jahre meines Lebens, indem ich in meinem Raum zu Hause bin, in meiner Stadt, in meinem Land, auf dieser Erde und diesem Dasein, mache ich mir das Leben vertraut.

Ich bin wieder daheim und ich bin dann wieder bei Gott, inmitten der göttlichen Präsenz in meinem Leben.

Denn Gott ist daheim, dort, wo das Ganze ist, dort wo alles in Beziehung ist, wo Vertrautheit lebt und bestimmend ist für meine Beziehungen.

Gerne schreibe mir einen Kommentar mit Deinen Erfahrungen zu diesem Thema.

Hab eine gute Zeit


korrigiertes Transskript


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