Alte Gewohnheiten haben nicht immer den Charme des Hilfreichen und hören sich nicht immer nach Unterstützung an. Oft sind es Verhaltensweisen, die wir zwar schon sehr lange haben, aber die irgendwie keinen Sinn mehr machen oder vielleicht sogar irgendwie peinlich sind.
Der morgendliche Kaffee kann eine solche Gewohnheit sein, obwohl der Arzt sagt, man solle auf ihn verzichten, trinkst du ihn vielleicht immer noch. Eine reine Gewohnheit.
Oder der Gute-Nacht-Tee, ohne den man meint, nicht einschlafen zu können. Alles reine Gewohnheiten mit Auswirkungen.
Manche gucken jeden Sonntag den Tatort - egal, ob er gut ist oder nicht. Andere kaufen immer die Kleidung von derselben Marke, parken immer auf dem gleichen Platz oder halten an immer dem gleichen Rastplatz.
Bewusst leben?
Und wenn wir im spirituellen Kontext immer wieder hören, dass wir ganz bewusst leben sollen, wenn wir überall hören und lesen können, dass wir achtsamer sein sollten, und das heißt ja, dass wir möglichst viel bewusst vollziehen und wahrnehmen, dann muss man ehrlicherweise sagen, dass das in der Form gar nicht möglich ist, zumindest nicht in unserer modernen Welt - vielleicht in einem Zen-Kloster irgendwo im Dickicht der japanischen Hochebene, aber nicht mit einem Job, zwei Kindern und dem Haufen Wäsche, der noch gewaschen werden muss.
Energiesparen mit Gewohnheiten
Wir brauchen nämlich Gewohnheiten, die wir einfach vollziehen, weil es unsere Energie einspart. Bewusstsein benötigt viel Energie und viel Platz in unserem inneren Arbeitsspeicher. Beides ist begrenzt. Alles, was ich aus einer Routine heraus erledige, das ist deshalb energiesparend und spart Platz in meinem Arbeitsspeicher, weil ich es nicht bewusst erledigen muss. Deshalb haben wir auch Gewohnheiten und brauchen sie, weil wir nicht alles erledigen können, wenn wir alles nur bewusst tun wollen. Gewohnheiten vereinfachen zudem das Leben. Wir müssen nicht überlegen, was als nächstes kommt, was ich morgens machen muss. Ich weiß es: Aufstehen, Bademantel anziehen, ins Bad gehen und Zähne putzen. Ich muss nicht jedes Mal morgens überlegen, ob ich das will, ich tue es einfach - weil es eine Routine ist, eine Gewohnheit.
Und so helfen uns die Gewohnheiten, unser Leben zu organisieren und vor allem auch Dinge zu tun, die wir nicht allein aus Lust tun können. Zähneputzen ist notwendig, aber es ist nicht so, dass ich mich jedes Mal darauf freue. Bei dem Stück Schokolade, das ich nach jedem Mittagessen bekomme, ist das anders, ich brauche dafür keine Routine. Die Lust und Freude darauf reicht, um mich daran zu erinnern.
Warum Routinen dich unterstützen können
Und im spirituellen Leben ist es ja so, dass wir viele Dinge wollen und beabsichtigen, die nicht gleich Glückshormone ausschütten - zumindest nicht sofort und immer. Wir wissen aber dennoch, dass sie wichtig und wertvoll sind und dass wir sie in unseren Alltag einbauen wollen. Und genau für diese Fälle sind Gewohnheiten und Routinen wertvoll und hilfreich. Denn wenn wir solche Gewohnheiten gut einfädeln, dann können wir damit unser Leben neu gestalten und verbessern.
Und das wollen, meiner Erfahrung nach, sehr viele Menschen - vielleicht willst ja auch du etwas an deinem Leben ändern oder etwas regelmäßig tun, was dir wichtig ist, bisher aber in deinem Leben noch nicht vorkommt.
Gründe schaffen keine Veränderung
Und wenn du schon mal versucht hast, etwas zu ändern, eine neue Verhaltensweise in deinem Alltag einzuführen, dann weißt du vermutlich auch, wie schwierig das sein kann. Warum funktioniert das nicht, warum können wir nicht einfach sagen: Ab jetzt meditiere ich jeden Tag morgens um 7:00 Uhr 20 Minuten? 4 oder 5 Tage klappt das auch, für besonders Motivierte vielleicht auch etwas länger. Aber fast jede und jeder von uns kennt die Erfahrung, dass wir irgendwann aufhören. Wir sprechen dann vom "inneren Schweinehund", davon, zu wenig motiviert zu sein oder was auch immer.
Wenn man aber genauer hinschaut, dann kann man einige Gemeinsamkeiten feststellen, die die meisten vergeblichen Bemühungen gemeinsam haben. Viele versuchen es allein über den Willen und die Disziplin. Man muss es nur wollen. Pläne werden aufgestellt und feste Vorhaben ins Leben gerufen. Doch je mehr ich mit meinem Willen arbeite, und das ist das Besondere, dass viele nicht mit einkalkulieren, je mehr Wille, umso mehr meldet sich diese andere Seite. Kennst du die? Das ist die Seite, die sagt: Ach, jetzt doch nicht, bleib doch noch liegen, heute war so ein miserabler Tag, muss das sein. Meditieren kannst du auch später noch. Und überhaupt, bisher war das Meditieren eher langweilig und öde, das muss man sich nicht antun, schon mal gar nicht an einem solchen Tag. Ja, genau diese Seite meine ich. Sie wird von festen Vorhaben und ernstem Willen geweckt. Und dann habe ich in der Regel nur eine Möglichkeit, ich muss gegensteuern. Und das heißt, mit Kraft mich den Einflüsterungen widersetzen. Mit anderen Worten: Ich übe Druck auf mich aus und zwinge mich dennoch zu meditieren. Letztlich ist das aber ein innerer Kampf, den ich gegen mich führe.
Achte auf deine unbewussten Motive
Und es ist nicht nur ein Kampf, es ist auf Dauer auch nicht gesund. Der Grund, warum ich so gegen mich kämpfe, ist der, dass ich unbewusste Motive nicht berücksichtige oder anders ausgedrückt, ich generiere meine Motivation vor allem aus rationalen Überlegungen. Rationalität hat aber wenig Energie, deutlich weniger als eine ausgereifte Motivation, die immer auf unbewusste Bedürfnisse zurückgreift, daher bekommt sie auch ihre Kraft und Energie.
Deshalb brauche ich auch keine Routine für mein Stück Schokolade, weil dieses Stück nicht dafür da ist, mich zu ernähren, weil ich überlegt habe, dass dunkle Schokolade gut für das Herz sein soll, sondern mir ein gutes Gefühl verschafft, mir vielleicht das Gefühl vermittelt, gut umsorgt zu sein und mein inneres Kind lacht und jauchzt. Beim Putzen hört da der Spaß natürlich auf.
Ich werde in den nächsten Monaten wieder einen Kurs anbieten, in dem du lernen kannst, bestimmte neue Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Haltungen in deinen Alltag zu integrieren. Solltest du daran interessiert sein, setze dich bitte auf die Interessentenliste. Sobald das Datum feststeht, werde ich dich informieren, damit du dich anmelden kannst.
Bereite dich auf Schwierigkeiten vor!
Es gibt noch zwei weitere Aspekte, die bei Menschen auffallen, die keine neue Routine dauerhaft in ihr Leben bringen können. Der eine Aspekt ist die mangelnde Vorbereitung. Gerade, wenn es um Routinen geht, die wenig lustvoll sind, aber wichtig. Zum Beispiel, wenn ich von meinem Physiotherapeuten Übungen bekomme, die ich jeden Tag ausüben soll. Meistens sind das Übungen, die mich nicht direkt ins Paradies der Lust und Freude katapultieren. Dennoch sind sie wichtig und ich sollte sie tun. Und zunächst gelingt mir das auch. Doch wenn ich dann für ein Wochenende unterwegs bin, dann entsteht die Unterbrechung, die ich nicht wieder überbrücken kann. Warum? Weil ich mich auf brisante Situationen nicht vorbereitet habe. Nehmen wir mal an, du willst regelmäßig ein spirituelles Buch lesen. Das soll ein Teil deines Alltags werden. Dann solltest du dich auf Situationen vorbereiten, wo das schwierig wird. Wenn du im Urlaub bist, wenn eine Freundin dich besucht, wenn du das Buch vergessen hast mitzunehmen, wenn kein neues Buch da ist - all diese Situationen solltest du vorher bedenken und dafür Lösungen entwickeln. Dann entsteht nicht diese Lücke, die dafür sorgen wird, dass du das Lesen gar nicht wieder aufnimmst.
Mach es dir nicht zu schwer!
Der andere Punkt, der immer wieder auffällt, ist der, dass die Ziele, die ich mir setze, zu anspruchsvoll sind. Bleiben wir beim Lesen des spirituellen Buches. Es kann dann sein, dass ich mir ein Buch aussuche, dass ich gar nicht verstehe, weil es für mich viel zu philosophisch oder wissenschaftlich ist, oder aber ich möchte jeden Tag mindestens 50 Seiten lesen. Und schon habe ich mir eine Falle gebaut, die dafür sorgen kann, dass ich ganz mit meinem Vorhaben aufhöre, bevor es zur Gewohnheit werden konnte. Sei nicht zu anspruchsvoll, sondern beginne leicht und einfach, nimm in diesem Fall ein Buch, auf das du dich freust und nicht eines, bei dem du ständig ein Lexikon daneben liegen haben musst und Zugriff auf Wikipedia brauchst, um auch nur einen Satz zu verstehen.
Gewohnheiten brauchen die richtige Motivation
Wie kannst du jetzt vorgehen, um wirklich etwas in deinem Alltag zu verändern und eine neue Gewohnheit einzuführen? Einer der wichtigsten Aspekte ist die Motivation, davon sprach ich ja schon. Meistens ist diese zu unbestimmt oder zu rational. Ich sagte ja schon, dass rationale Motivationen - wenn man dann überhaupt von Motivation sprechen kann - viel zu wenig Energie haben. Es handelt sich dann um Gründe, warum ich etwas tun will. Aber Gründe sind echt langweilig gegenüber einer richtig schönen Motivation.
Und eine Motivation brauchen wir für Dinge, die uns nicht aus sich selbst heraus sofort motivieren - ich erinnere dich an den Physiotherapeuten. Aber auch die reine Begründung, ein spirituelles Buch regelmäßig lesen zu wollen, wird vielleicht nicht genug Energie abwerfen, damit du beginnst, es wirklich jeden Tag zu lesen. Statt auf die Gründe solltest du dich auf den Zustand konzentrieren, der in dir entsteht, wenn du das Buch gelesen hast. Stelle dir vor, was es bedeuten wird - für dich, in deinem Umfeld, wenn du viele spirituelle Bücher gelesen hast. Welch ein Zugewinn an Einsicht, welch ein besseres Verstehen des Lebens, welch tiefere Erfahrung wird dir dann möglich sein. Du wirst davon reden können, weil du einfach sprachmächtiger geworden bist und weil du einfach mehr weißt. Du kannst jemandem etwas raten und empfehlen, du kannst mitreden, du wirst vielleicht auch als gebildet und spirituell erlebt und andere sprechen dann so über dich. Klingt das irgendwie gut, klingt irgend etwas davon gut für dich, spürst du an einer Stelle dieser möglichen Motivationen ein inneres Kribbeln? Dann hast du deine Motivation gefunden. Eine richtig gute Motivation kann man immer im Gesicht sehen. Dazu gehört meistens ein Lächeln oder ein Aufatmen, nur wenn ich daran denke, was ich erreiche, wenn ich das Buch lese. Und es gibt noch viele solcher körperlichen Merkmale, die sich zeigen, wenn ich etwas gefunden habe, was mich wirklich motiviert.
Eine gute Motivation fühlt man
Dafür ist es hilfreich, wenn du nicht sagst, ich will jeden Morgen ein spirituelles Buch lesen, sondern ein anderes Ziel formulierst. Ich weiß, überall wird einem weiß gemacht, man müsse SMART Ziele schaffen. Aber SMART Ziele sind so ernüchternd, dass ich dir empfehle, darauf zu verzichten. Statt dessen schaffe dir Ziele, die dich wirklich motivieren. Sage nicht, ich will jeden Morgen mindestens 5 Seiten eines spirituellen Buches lesen. Sondern: Jeden Morgen gönne ich mir die Begegnung mit tiefen spirituellen Weisheiten. Oder: Jeden Tag beginne ich mit meinem Buddhaweg. oder: Jeden Tag bereichere ich mich mit Weisheit und Lehre. Das klingt anders, es kann, wenn die Worte die richtige Taste bei dir drücken, dich sofort in die Stimmung versetzen zu lesen. Das sind Ziele, die dich motivieren, wenn du sie aussprichst und nicht Ziele, die dich unter Druck setzen.
Rechne mit Schwierigkeiten!
Dann mache es dir einfach, lege das Buch am Vorabend zurecht, setze nicht zu große Ziele - ich sagte es ja schon. Je einfacher du es dir machst, umso größer ist die Chance, dass du deine neue Gewohnheit tatsächlich in dein Leben einführen kannst. Dazu zählt dann auch die schon erwähnte Vorbereitung. Bereite dich auf Schwierigkeiten vor, die kommen garantiert und das ist ganz normal. Wenn du aber vorher schon weißt, dass sie kommen und wie du reagieren wirst, bleibst du in deiner Gewohnheit, selbst, wenn du etwas anders machst. Du musst dafür drei Szenarien bedenken: Situationen, die absehbar sind und daher planbar, Situationen, die nicht absehbar sind, aber womit du rechnen kannst, und Situationen, die völlig unvorhergesehen sind und mit denen man nicht rechnen kann. Bei den Letzteren kannst du aus deiner Routine aussteigen - alle anderen sollten eine Antwort finden, die du bereithalten solltest.