Wieso lässt Gott das Unheil zu

27. September 2022

Was für eine wichtige Frage das doch ist, die ich vor ein paar Tagen erhalten habe. Die Frage nach dem Unheil oder dem Bösen.
Sie ist wichtig, weil uns alle irgendwann das Unheil treffen kann – und ich will ehrlich zu Dir sein: irgendwann wird jede und jeden von uns das Unheil treffen und dann ist es gut zu wissen, was das bedeuten kann und was es nicht bedeutet. Wenn Du erst dann beginnst darüber nachzudenken, dann brauchst Du viel länger, um Dich von Deiner Unheilserfahrung zu erholen.
Ich möchte Dir jetzt aber erst einmal die Frage vorstellen, die ich von Simone erhalten habe:

Lieber David!
Meine Frage ist uralt: Wieso lässt Gott all das Unheil geschehen? –
Putins Krieg, die Pandemie, das sich verfestigende rechte Gedankengut,
der ständig steigende Hass.
Mir macht Angst, dass zurzeit die „Bösen“ gewinnen: Putin, Trump, Erdogan … und keine(r) ein probates Mittel gegen sie findet.


Wenn Du mir schon länger folgst, dann weißt Du, dass ich gern von vorne anfange und die Dinge grundständig versuche anzugehen. So will ich es auch heute tun.


Was ist das Böse?

Und daher möchte ich der Frage folgen, was denn das Unheil und das Böse überhaupt sind.
Nun, vom Wortsinn her abgeleitet ist das Unheil das, was nicht dem Heilen oder der Heilung dient. Es ist etwas, das verletzt, kränkt, krank macht, tot, bedrängt und all das, was wir uns für uns und unsere Lieben nicht wünschen.
Das Böse hat noch einen etwas anderen Klang. Hier geht es nicht nur darum, dass irgendwie etwas geschieht. Das Böse ist eine ganz eigene Macht. Und da kommen wir zu einer Grundentscheidung, die wir treffen müssen. Es ist die Entscheidung, ob es das Böse aus sich selbst heraus gibt oder nicht. Hat Gott das Böse geschaffen? Oder existiert es sogar von Anfang an parallel?
C.G. Jung zum Beispiel ist klar davon ausgegangen, dass das Böse ein Teil dieser Wirklichkeit ist und eine eigene Existenz hat.
Was denkst Du dazu? Hat Gott das Böse geschaffen?


Das Böse existiert nicht aus sich selbst

Meine Meinung ist da ganz klar, nein, das glaube ich nicht. Ich weiß natürlich, dass es das Böse gibt, dass in der Welt Kräfte und Menschen am Werk sind, die uns schaden wollen, zumeist zu ihrem Vorteil. Aber das Böse hat keine Existenz aus sich, ist nicht von Gott geschaffen.
Die Dunkelheit hat auch keine Existenz aus sich, sie ist die Abwesenheit von Licht. Wenn ich ein Fenster in einem stark erleuchteten Raum öffne, so kommt keine Dunkelheit hinein, aber es strahlt Licht aus. Verstehst Du meinen Vergleich? Wenn Dunkelheit eine eigene Existenz hätte, dann müsste doch auch Dunkelheit in einen Raum hinein strahlen oder fließen können. Das aber gibt es nicht. Und das ist ein Grund, warum ich nicht glaube, dass das Böse aus sich selbst heraus existiert.
Das Böse ist die Abwesenheit des Guten. Und noch stärker formuliert: Das Böse ist die Entfernung von Gott als der Quelle der Liebe. Je weiter ich mich von Gott entferne, umso stärker gehe ich in die Dunkelheit. Eigennutz, Egoismus und Machtwille beginnen dann mich zu beherrschen und die Liebe hat immer weniger Raum in meinem Leben und Wirken.
Und so entsteht dann das Böse. Ich entziehe mich der Einflusssphäre der Liebe. Ich kann zwar noch schön über Liebe sprechen und ich kann vielleicht auch noch Menschen in meinem Umfeld lieben. Aber das ist ja nur ein Teil von dem, was Liebe will. Sie will in unser ganzes Handeln und unser Denken einziehen und mich dort prägen.


Die Liebe will in uns wirken

Die Liebe ist ein Wirken in uns, ist etwas, das mich wandelt. Es ist nicht nur ein nettes und schönes Gefühl. Im Kern ist Liebe überhaupt kein Gefühl, es zeigt sich hier auf Erden nur als Gefühl, wir Menschen fühlen diese Liebe so, wie wir sie fühlen und empfinden.
Die Liebe findet ihren Ausdruck in Sanftmut, in Güte, in Besonnenheit und in Weisheit.
Wenn ich mich auf Gott zubewege, dann kann ich erkennen, wie diese Tugenden in meinem Leben mehr werden, wie ich von innen verwandelt werde, wie ein unsichtbare Kraft dafür sorgt, dass ich ruhiger und liebevoller werde, im tiefsten Sinne des Wortes.
Aber es geht auch umgedreht. Denn wenn ich mich wegbewege von Gott, von der Liebe, auch dann passiert etwas mit mir, auch dann werde ich verwandelt, Zug um Zug werde ich zum Bösen hin verändert.
Ich sehe mehr und mehr auf mein Interesse, bis ich einen solchen Tunnelblick habe, dass ich nur noch mich und mein Leben sehe.
Wut und Hass werden mein ständiger Begleiter, ich will meine Stellung sichern, das, was ich wichtig für mich und mein Leben finde.
Das Vertrackte ist, dass all das auch Teil der Liebe sein kann, denn in der Liebe darf ich mich auch um mich kümmern und muss es sogar.
Der Unterschied ist, wird es aus Liebe zu mir getan oder geschieht es aus Angst. Denn im Kern des Bösen findest Du immer Angst, immer. Auch die Starken, die Machthaber, die Armeen befehlen, die ohne mit der Wimper zu zucken Menschen umbringen oder umbringen lassen, die für Massaker und Folter verantwortlich sind. Im Kern findest Du dort immer ein sehr hohes Potenzial von Angst. Und diese Angst zieht Dich in die Dunkelheit hinein und damit immer mehr in das Feld des Bösen und Unheilvollen.
Doch das geschieht nicht plötzlich und unerwartet, ich wache nicht plötzlich auf und denke, oh, wie konnte ich hierhin geraten.


Am Anfang steht immer eine Entscheidung

Es ist immer eine Entscheidung gefallen, die letztlich diesen unheilvollen Strudel in meinem Leben in Gang gebracht hat. Die Entscheidung gegen meine Kränkung und Verletzung und für meinen Hass, gegen meine Angst und für meine Wut, gegen die Liebe und für das Böse.
Das ist nicht gleich zu erkennen und es gibt zahllose Umkehrmöglichkeiten. Aber irgendwann kann es zu spät sein und dann bist Du drin und gefangen und kannst nur weitermachen. Wie es vielen Verbrechern und Terroristen geht – irgendwann gibt es aus eigener Kraft keinen Weg zurück.
Und könnte man das Ganze nicht einfach unterbinden, könnte Gott nicht in seiner Schöpfung diesen, nennen wir es mal Fehler ausbügeln?
Warum das?
Die Antwort wird Dich vielleicht nicht zufriedenstellen, liebe Simone, aber so sehe ich es.


Das Böse ist der Preis unserer Freiheit.

Gott will keine Befehlsempfänger, so sind wir nicht gedacht. Wir sind freie Wesen und haben die Möglichkeit, uns für oder gegen die Liebe zu entscheiden, für oder gegen das Böse.
Nur in der Freiheit kann Liebe wachsen und gedeihen. Niemand kann gezwungen werden, jemand anderen zu lieben. Man kann gezwungen werden, jemanden zu heiraten oder mit ihm oder ihr etwas zu unternehmen, aber lieben kann man nicht unter Zwang. Nur in wirklicher Freiheit ist das möglich. Und zu dieser Freiheit gehört auch die Bedingungslosigkeit. Gott bestraft nicht, wenn wir Gott nicht lieben. Im Kern bestrafen wir uns selbst, wir tun uns selbst etwas an, weil wir in diesen Strudel geraten, der entsteht, wenn ich der Liebe widersage, wenn ich in die Räume und Sphären gehe, wo ich mich Gott entziehe. Nicht aus Überzeugung, sondern letztlich aus Angst und Hass und Wut.


Wir leben in Gegensätzen

Ja, die Welt könnte so schön friedlich sein, wenn es das Böse nicht gäbe. Wir würden alle nur noch lieben und alle würden Dich lieben und mich. Aber nie wüssten wir, ob wir geliebt werden, weil ich es bin oder weil es Teil unseres Genschlüssels ist, nie würden wir erfahren, was Liebe wirklich ist, wenn wir nicht auch die Erfahrung machen, dass es Orte ohne Liebe gibt.
Immer ist uns beides gegeben, nicht wahr, immer werden uns Gegensätze ins Leben gestellt und das Leben selbst hat auch einen Gegensatz, den wir Tod nennen.
Und die Liebe hat es und Gott auch.
So ist das Leben hier auf Erden, genau so.



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